Inhalt
Esskultur und Küche des indischen Subkontinents (Teil 1)
Teil 2: Grundzutaten der indischen Küche – Küche der Regionen
Teil 3: Das indische Mahl – Die Dabbawalas von Mumbai
von Gernot Katzer
In Deutschland gehören indische Restaurants zu den beliebtesten „exotischen“ Gastronomie- Angeboten. Begriffe aus der indischen Küche wie Tandoori und Masala sind den deutschen Genießern mittlerweise so geläufig wie Currypulver, und so mancher hat auch schon auf indische Art mit den Fingern gegessen – aber die indische Küche ist unvergleichlich mehr, als man in Indien- Restaurants erleben kann.„Indische Küche“ ist eigentlich ein perspektivisches Mißverständnis: Aus dem fernen Europa mag Indien homogen fremdartig wirken, aber innerhalb Indiens gibt es klimatisch und kulturell bedingt starke Variation in den Eßgewohnheiten: Das nordindische Kaschmir und das südindische Tamil Nadu sind einander kulinarisch nicht viel ähnlicher als Norwegen und Griechenland, und wer wollte diese beiden schon ohne weiteres unter ein gemeinsames Motto „Europäische Küche“ stellen?
Kulinarisch wird Indien oft in Nord und Süd geteilt: Der Süden weist durch das tropische Klima und die Küstennähe ein ganz anderes Nahrungsangebot auf als der Norden mit seiner ausgeprägten Trockenzeit, die einen Rückgriff auf konservierte Lebensmittel nötig macht. Kulturell kommt noch ein starker Ost–West-Gradient hinzu, da sich der islamische Einfluß vor allem auf den Nordwesten Indiens und Pakistan konzentriert; die Ostküste Südindiens wiederum ist ein altes Handelsgebiet mit kosmopolitischem Charakter. Zuletzt gibt es noch zahllose Minderheiten in Randprovinzen oder dem gebirgigen Hinterland, deren völlig andersartige Kochkunst nicht Thema dieses Artikels sein kann.
Gemeinsamkeiten aller indischen Kochstile und damit Bindeglied einer „indischen Küche“ sind – neben der massiven Verwendung von Gewürzen – kultureller Natur: Essen gilt in Indien auch als Nahrung für die Seele, und unterliegt daher bestimmten religiösen Vorschriften. Dazu gehört vor allem die vegetarische Ernährungsform, die in Indien für fast alle Brahmanen obligatorisch ist und der auch viele Angehörige niedriger Kasten anhängen, um ihr karma zu verbessern. Gleichwohl ernähren sich jedoch nur etwa ein Fünftel der Bevölkerung streng vegetarisch. Weiters gelten komplexe Reinheitstabus, die heute jedoch stark gelockert sind und vor allem in den Städten in ihrer Bedeutung schwinden.
Der folgende Beitrag schlägt einen Bogen vom Ursprung indischer Esskultur über charakterstische Zutaten bis hin zu dem, was ein indisches Mahl einschließlich seiner Gepflogenheiten ausmacht. Begeben Sie sich auf die Reise zu einer der faszinierensten Küche der Welt.
Geschichte der Indischen Küche
Die indische Eßkultur lässt sich archäologisch bis zur Industalkultur zurückverfolgen, die Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr. erlosch. Die Städte hatten teilweise riesige, raffiniert geplante Kornspeicher für Weizen, und die Aufarbeitung der Schutthalten lieferte Reste vieler Samen wie Sesam, Senf, AuberginenHerkunft Mittelmeerraum, Indien Beschreibung Auberginen sind - wie der Beiname... und Hülsenfrüchten, die auch heute noch in Indien gegessen werden, aber auch Knochen von Schafen und Rindern.
Etwa um 1700 v.Chr. wanderten die Arier aus Zentralasien ein und vermischten sich mit der ansässigen Bevölkerung, wobei der Hinduismus und damit die Grundlage der auch heute gültigen indischen Gesellschaftsstruktur entstand. Die Arier kannten eine Anzahl von Speisetabus, etwa gegen Zwiebelgewächse oder Kuhfleisch, und befolgten komplizierte Reinheitsgebote, wonach Speisen in verschiedene Klassen eingeteilt wurden, für die unterschiedliche Regeln einzuhalten waren.
Der heute die indische Küche bestimmende Vegetarismus entstand aber erst unter dem Einfluß zweier Reformbewegungen, die sich aus dem Hinduismus entwickelten und aus denen zwei neue Religionen entstanden: Buddhismus und Jainismus. Die Jains, von denen heute einige Millionen im Westen Indiens leben, sind strenge Vegetarier, die wurmbefallenes Obst meiden und selbst Ackerbau ablehnen, weil dabei Bodenlebewesen gefährdet werden. In ihrer Hochburg, dem Unionsstaat Gujarat, findet man heute den größten Vegetarieranteil Indiens.
Flächendeckend setzte sich der Fleischverzicht im 3. Jahrhundert v.Chr. durch, als ganz Nordindien unter dem legendären Kaiser Ashoka zu einem buddhistischen Großreich vereinigt war. Obwohl die Buddhisten später vom wiedererstarkten Hinduismus verdrängt wurden, blieb die vegetarische Lebensweise ein Charakteristikum des indischen Subkontinents. Ungefähr zur selben Zeit wurden die ersten Kontakte zwischen Indien und Europa geknüpft. Die kriegerischen Ambitionen Alexanders des Großen endeten im Punjab, aber aus der Begegnung zweier Großreiche ergaben sich nachhaltige Handelsbeziehungen, durch die Nutzpflanzen zwischen dem Mittelmeerraum und Südasien ausgetauscht wurden. Davon profitierten die Speisepläne beider Regionen.
Einen faszinierenden Einblick in die Eßkultur des mittelalterlichen Indien liefert der Bericht des chinesischen Reisenden Xuán Zàng, der im 7. Jahrhundert einige indische Städte besuchte und von der Reinheit und dem asketischen Lebensstil der indischen Brahmanen sehr beeindruckt war. Die islamische Expansion erreichte im 8. Jahrhundert auch Indien. Langsam entstanden in Nordindien islamische Sultanate, die eine völlig andere Lebensweise vorlebten und an Einfluß gewannen. Die Moslems zelebrierten eine wesentlich genußfreudigere Einstellung zum Essen als die asketischen Brahmanen, und brachten raffinierte Rezepte mit, die sie lokalen Gegebenheiten anpaßten; außerdem verzehrten sie Fleisch, ZwiebelZipolle, Zippel, Bolle; Eng: onion; Franz: oignion Herkunft Zentralasien Beschreibung... und Knobauch.
Eine ursprünglich aus dem zentralasiatischen Ferghana-Tal eingewanderte islamische Dynastie, die Mogulen, eroberten schließlich ganz Nordindien, das unter Kaiser Akbar im 16. Jahrhundert zum ersten Mal seit zweitausend Jahren wieder politisch geeint war. An Akbars Hof entstand eine „indo–sarazenische“ Mischkultur, was auch die Küche miteinschloß. Die neu entstandene mogulische Küche kombinierte islamisch–orientalische Raffinesse mit indischen Traditionen und wurde auch bei hinduisischen Fürsten geschmacksbestimmend.
Selbst die Raj, die englische Kolonialherrschaft, hinterließ kulinarische Spuren. Innerhalb Indiens kam es zu verstärktem Handel, und die Bedürfnisse der Kolonialherren begünstigten eine gewisse Homogenisierung und Standardisierung. Auch der Begriff „Curry“ stammt aus dieser Zeit: Die Engländer bezeichneten alle saucigen indischen Speisen als „Curries“, obwohl dieses Wort ursprünglich nur in der tamilischen Sprache (kari = tamilisch für Sauce) existierte.
Indisches Speise ABC
Hinweis: Viele der bei uns gebräuchlichen indischen Bezeichnungen unterliegen eigentlich einem Transkriptionsfehler, der durch den Umweg über die englische Sprache entstanden und auf die „deutschen“ Schreibweisen durchgeschlagen ist. Klassische Beispiele: Curry, das bei uns kœri, eigentlich aber kari ausgesprochen wird, oder Ghee – eigentlich ghī. Die Tabelle enthält daher beide Angaben: die bei uns gebräuchliche Schreibweise und die eigentlich phonetisch korrekte daneben.
Aloo – alū
Kartoffel
Barfi – barfī
trockenes Grießkonfekt
Basmati – bāsmatī
duftender Reis aus dem Himalaya
Bhatura – bhaṭūrā
frittirtes gesäuertes „Ballonbrot“
Biryani – biryānī
nordindisches Reisgericht
Bisi-Bele-Reis – bisi beḷĕ huḷi anna
südindisches Reisgericht
Bittermelone – karelā
bitteres Gurkengewächs
Chana – canā
Kichererbse
Chapati – capātī
nordindisches Weizen-Fladenbrot
Chena – chenā
Frischkäse
Chole – chole
Kichererbsen
Chutney – caṭnī
süß-sauer eingelegte Früchte
Dal – dāl
allgemein Hülsenfrüchte
Dosai – dosai
Südindisches Fladenbrot aus Reis und Hülsenfrüchten
Faluda – falūdā
halbflüssiges Dessert mit Weizennudeln
Garam Masala – garam masālā
nordindische Gewürzmischung
Ghee – ghī
geklärte Butter
hopper – appam
srilankanisches und tamilisches Brot
Idli – iḍli
südindisches gedämpftes Brot aus Reis und Hülsenfrüchten
Kheer – khīr
süßer Grießbrei
Kokam – kokam
getrockene Frucht (Säuerungsmittel in Südindien)
Kulfi – kulfī
indisches Speiseeis
Laddu – laḍḍū
süßer Snack aus frittierten Kichererbsenbälchen
Lassi – lassī
Joghurtgetränk
Masala chai – masālā cāy
Gewürztee
Masala – masālā
Gewürz
Masur dal – masūr dāl
rote Linsen
Mung dal – mūṅg dāl
Mongbohnen
Naan – nān
nordindisches fermentiertes Weizenbrot
Panch phoron – pāñc phoran
bengalische 5gewürzemischung
Paneer – panīr
gepreßter Frischkäse
Paratha – parāṭhā
gefülltes Weizenbrot
Pickle – acār
pikant-ölig eingelegtes Gemüse
Pullao – pulāv
Reisgericht
Puri. – pūṛī
frittiertes Brot
Raita – rāytā
nordindischer Joghurt-Gemüse-Salat
Rajma – rajmā
braune Bohne
Ras malai – ras malāī
Käsebällchen in süßer Milchsauce
Roghan Josh – rogan joś
in Joghurt mit Paprika geschmortes Lamm
Roti – roṭī
allgemein Brot
Saag gosht – sāg gośt
in Spinatsauce geschmortes Lamm
Samosa – samosā
frittierte knusprige Teigtasche
Tandoor – tandūr
indischer Lehmofen
Tandoori – tandūrī
im Tandoor zubereitet
Toor dal – tūr dāl
Straucherbse
Trommelstock – muruṅgai
südindisches Gemüse
Urad dal – urad dāl
Urdbohne
Vanaspati ghee – vanaspati ghī
Pflanzenfett mit Buttergeschmack
Vindaloo – vindalū
sauer-scharfer Schweinefleischcurry
Vor zu Teil 2: Grundzutaten der indischen Küche – indische Regionenküche
Vor zu Teil 3: Das indische Mahl – Die Dabbawalas von Mumbai
Indische Rezepte
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