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Galette - ebenfalls eine der Ur-Rezepte für Pfannkuchen
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Eigentlich sollte man meinen, dass das Rezept Mehl, Ei und Wasser oder Milch zu einem gießfähigen Teig verarbeitet und in der Pfanne gebacken, eindeutig ist. Schaut man sich jedoch die Rezepte, die auf dieser Grundrezeptur aufbauen, genauer an, dann stellt man fest, dass diese sich in Geschmack und Konsistenz zum Teil deutlich unterscheiden. Ebenso stark unterscheidet sich die Esskultur, die sich in den einzelnen Länder rund um den Pfannkuchen und seinen Verwandten entwickelt hat. Auch wenn die Globalisierung auch beim Pfannkuchen Einzug gehalten hat und klare Grenzen zunehmend verwischen.
Stichworte, nach denen die folgenden Rezepte unterschieden werden, sind: das verwendete Mehl (es gibt kaum ein Getreide, das nicht zu Pfannkuchen verarbeitet wird), die Konsistenz des Pfannkuchens, die durch die Konsistenz des Teiges (Verhältnis von Mehl zu flüssigen Komponenten wie Ei, Wasser, Milch etc.) und eventuelle Zugabe von Triebmitteln (Backpulver, Natron, Hefe) erreicht wird, Geschmacksvarianten und der Anlass, zu dem die Pfannkuchen üblicherweise genossen werden.
Rezepte für Europäische Pfannkuchenspezialitäten
Schon in Europa ist es unmöglich, auch nur eine annähernd einheitliche Grundrezeptur abzubilden. Zumal es selbst innerhalb eines einzelnen Landes verschiedene meist regionale Rezept-Varianten geben kann.
Deutschland
Auch in Deutschland gibt es nicht nur regional unterschiedliche Bezeichnungen für den Pfannkuchen, sondern dieser wird auch ganz unterschiedlich zubereitet. Obligatorisch ist die Verwendung von Weizenmehl. Grundsätzlich werden drei Rezept-Varianten gepflegt: ein dünner, relativ zäher
Pfannkuchen (Mischungsverhältnis 1:2 - Mehl zu Flüssigkeit) mit relativ hohem Eianteil und ohne Triebmittel, die dickere Variante des
Eierpfannkuchens mit fluffiger Konsistenz und sehr hohem Eianteil (manchmal auch ergänzt durch Backpulver) und der Hefepfannkuchen, regional auch
Plinse genannt, dessen lockere Konsistenz nicht durch einen höheren Eianteil, sondern durch Zusatz von Hefe erreicht wird.
Serviert werden Pfannkuchen meist als eigenständige Mahlzeit zum Mittag- oder Abendessen. Süße Varianten - in der einfachsten schlicht mit Zucker oder Apfelmus serviert - sind dabei ebenso gebräuchlich wie herzhafte. Die Zutaten können wahlweise direkt mit eingebacken oder später auf den Pfannkuchen aufgelegt werden. Auch wird dbei den Rezepten der Teig häufig zusätzlich aromatisiert (bspw. Zitronenschale, Kräuter, Quark etc.) Weit verbreitet sind Varianten mit Apfel (in Stücken oder Ringen eingebacken) oder mit Speck (Schinken) und / oder Käse. Eine weitere Variante ist, den Pfannkuchen in Streifen geschnitten als Suppeneinlage zu verwenden, wie bei den schwäbischen Flädle. Traditionell üblich sind in Deutschland eher sparsame Beläge. Der Variantenreichtum hat erst unter Einfluss holländischer und französischer Essgewohnheiten zugenommen.
Im Zusammenhang mit Pfannkuchen sind noch zwei Besonderheiten erwähnenswert: In Berlin versteht man unter Pfannkuchen nicht den Teigfladen, der hier Eierkuchen genannt wird, sondern den in Fett gebackenen und meist mit Marmelade gefüllten Krapfen (auch Berliner genannt). Ebenfalls regional gebräuchlich ist der Begriff des Kartoffelpfannkuchens, einem Gericht aus geriebenen Kartoffeln, auch Reibekuchen, Kartoffelplätzchen oder Kartoffelpuffer genannt.
Frankreich
Am französischen Pfannkuchenhimmel leuchten zwei goldene Scheiben: der berühmte Crêpes und die Galette. Beide Rezepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie besonders dünne Vertreter ihrer Art sind. Der offensichtliche Unterschied zwischen beiden ist das verwendete Mehl: Beim Crêpes wird Weizenmehl verwendet, das ihm eine eher gelbliche Farbe verleiht, beim Galette Buchweizenmehl (blé noir), wodurch er eine graubraune Farbe bekommt. Im Unterschied zu allen drei deutschen Varianten ist der Teig für Crêpes und Galette flüssiger. (Etwa 2,5-3:1 flüssige Komponenten zu Mehl).
Die gewünschte Konsistenz für einen Crêpes ist ein sehr dünner, weicher und damit auch faltbarer Fladen (Crêpes werden häufig zum Dreieck gefaltet serviert). Erreicht wird dies neben der dünnen Teigkonsistenz durch Zugabe von Butter und dadurch, dass der Crêpes nicht so stark gebacken wird. Eine Verbesserung der Teigkonsistenz erhält man durch teilweisen Austausch der Milch durch Bier, eine Variante, die vor allem im nördlicheren Frankreich häufig verwendet wird. Crêpes werden sowohl süß als auch herzhaft serviert. Besonders beliebt sind eine Vielzahl von Variationen zum Dessert, wie die berühmten Crêpes Suzette mit Orangenbutter. Der Galette darf (vor allem an den Rändern) auch schon einmal knusprig werden. Traditionell besteht der Teig nur aus Buchweizenmehl, Wasser und Salz. Die aus der Bretagne und der Normandie stammende Urvariante des Pfannkuchens wird in der Regel herzhaft serviert. Sehr beliebt ist ein Rezept mit Käse, Schinken und Ei, Galette Complète genannt. Wer die ganze Vielfalt französischer Crêpes- und Galettespezialitäten genießen möchte, der wird in einer Crèperie, dem französischen Restaurant für diese Spezialität, sicher fündig
Unter der Bezeichnung Galette gibt es noch weitere französische Rezepte: zum einen sind dies Galettevarianten, wie die Galette Savoyarde, bei der Kartoffelpüree statt Mehl verwendet wird. Ebenfalls als Galette bezeichnet werden einige Kuchen bzw. Gebäcke, wie der berühmte Galette des Rois, der französische Dreikönigskuchen aus Blätterteig.
Niederlande
Unsere niederländischen Nachbarn haben ebenfalls eine ausgeprägte Pfannkuchenkultur. Und auch hier leuchten gleich drei Rezept-Spezialitäten am Firmament: Zum einen die berühmten Pannekoeken, deren Zubereitungsvielfalt schier endlos zu sein scheint, wie einem spätestens beim Anblick der Speisekarte in einem der weit verbreiteten Pfannkuchenhäuser (Pannekoekenhuys) klar wird. Es gibt fast nichts, was nicht in oder meist auf den Pfannkuchen gelegt wird: in der einfache Version als "nature" (zu der Zucker und Sirup - Stroop gereicht wird), mit Sahne und Früchten oder mit herzhaftem Belag, der den Varianten eines Pizzabelages in nichts nachsteht. Die dünne, crêpes-ähnliche Variante des Pannekoeken wird Flensjes genannt. Darüber hinaus sind die holländischen Poffertjes berühmt: ein kleiner Pfannkuchen, der in speziellen Pfannen mit Mulden zubereitet wird. Der Teig - urpsprünglich mit Hefe hergestellt - besteht aus einer Mischung aus Buchweizen- und Weizenmehl. Poffertjes müssen innen besonders fluffig sein, daher werden sie bereits gewendet, wenn die Oberseite noch feucht ist.
Österreich
Die Österreicher sind die Meister der Mehlspeisen. Eine dieser unzähligen Spezialitäten der österreichischen Küche sind Palatschinken, die österreichische Rezept-Variante des Pfannkuchens. Diese sind ähnlich dünn wie Crêpes und werden ebenso vielseitig gefüllt. Allerdings wird in Österreich der Palatschinken mit der Füllung gerollt und nicht, wie in Frankreich, gefaltet. Das bekannteste Rezept ist der Topfenpalatschinken mit einer Füllung aus aromatisiertem Quark meist als Dessert serviert. Der Name Palatschinken kommt übrigens ursprünglich vom lateinischen placenta (Kuchen) und hat auf dem Umweg über Tschechien (palačinka) Einzug in Österreich gehalten. Neben dem Palatschinken gibt es in Österreich noch eine weitere, berühmte Pfannkuchenspezialität: den Kaiserschmarrn. Die besonders fluffige Konsistenz dieses in Stücke gerissenen Pfannkuchens wird durch separat aufgeschlagenes Eiweiß erreicht. Dabei gelingt der Kaiserschmarrn besonders gut, wenn er im Ofen zubereitet wird.
Russland
Auch in Russland kennt man verschiedene Versionen des Pfannkuchens. Am bekanntesten sind die mit den Plinsen verwandten Bliny, Pfannkuchen mittlerer Dicke aus Hefeteig, die häufig schlicht mit Butter serviert werden. Berühmt ist die Rezept-Variante mit saurer Sahne und Kaviar, ebenso geläufig sind Konfitüre, Honig oder Käse. Der Teig für Bliny ist vergleichweise dick (1:1). Klassisch mit Buchweizen- oder Hirsemehl zubereitet, sind heute auch Blinyrezepte mit Weizenmehl oder Mischungen aus diesen Mehlsorten üblich. Weniger bekannt bei uns sind Oladyi, eine kleinere, dickere Variante, die mit Buttermilch zubereitet wird.
In Teil 4 blicken wir ins restliche Europa, nach Amerika, Afrika, Ozeanien und Asien...
1 Mit freundlicher Unterstützung durch Stephan Elspaß / Robert Möller:
Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA). www.atlas-alltagssprache.de (2003ff.)