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Etappe 11 – Pampore

von
safranblueten

Von ganz viel Safran…

J&K again! Ich residiere wieder einmal in Srinagar, der Sommerhauptstadt des Bundesstaates Jammu and Kashmir, also jener chronischen Unruheprovinz, mit der bereits mein letzter Indienaufenthalt im Jänner begonnen hat. Mein diesmaliger Aufenthalt ist erheblich angenehmer als der letzte, aber darüber will ich Dir erst im nächsten Brief berichten. Dieser Brief ist nämlich gar nicht der Hauptstadt Srinagar, sondern einer Kleinstadt in nur 14 km Entfernung gewidmet. Dieser Ort heißt Pampore (genauer wäre Panpura), und er hat eine Spezialität zu bieten, die es sonst in Indien nirgendwo gibt: Safran.

Genau jetzt, Ende Oktober bis Anfang November, spießen die Krokusblüten und überziehen die ansonsten völlig brachen Felder für etwa zwei Wochen purpurviolett. Da es ja weltweit nicht allzuviele Safran-Anbaugebiete gibt (vor allem Iran, daneben auch noch Spanien), wollte ich mir dieses Ereignis nicht entgehen lassen, wenn ich schon mal in der Gegend bin – zumindest nach indischen Verhältnisse, also plusminus tausend Kilometer.

Safranblüte

Also bin ich von Gorakhpur in Uttar Pradesh im Eiltempo hierher gehirscht: Eine vierundzwanzigstündige Bahnfahrt, gefolgt von einer Nacht im Bus, und ich war wieder in Srinagar.  Kaum angekommen, stieg ich auch schon in den Bus nach Pampore – oder wäre das gerne, aber das scheiterte an Manmohan Singh, dem indischen Premierminister. Der war an diesem Tag leider in Srinagar zu Besuch. Die ganze Bevölkerung des Srinagar-Tales ergriff die willkommene Gelegenheit, dem P.M. mit einem Generalstreik im Transportwesen so etwas wie einen virtuellen Stinkefinger zu zeigen. Schließlich ließ sich doch noch ein privater Jeep auftreiben, der als Sammeltaxi in die Umgebung fuhr und mich nach Pampore mitnahm. Und so stand ich dann wirklich bald auf den Safranfeldern.

Zunächst einmal bewahrheitete ein bekanntes Prinzip: Wer sich auf Teufel komm raus beeilt, der trifft am Ende abgekämpft und viel zu früh ein. Wir stehen nämlich erst am Anfang der Safranblüte, die in diesem Jahr ohnehin wegen fehlenden Herbstregens eher mager ausfallen wird. Von einem violetten Blütenteppich kann ich daher nur träumen, aber selbst von der Hauptstraße aus sieht man schon einen Hauch Violett, und wenn man dann auf die Felder geht, dann kann man schon einen kleinen Farbrausch genießen.

Pflückbeute

Die Felder sind in Quadrate oder Rechtecke der Größe 1×1 m bis 1×2 m zerteilt, von denen jedes auch ohne sichtbare Markierung einer einzelnen Familie zugeordnet ist. Alte Männer mit Holzstöcken und Wasserpfeifen wachen 24 Stunden am Tag über den Feldern, damit kein Fremder ernten kann, wo er nicht gesteckt hat. Wenn gerade mal kein Safrandieb kommt, dann können diese Safranwächter auch den einzigen Touristen der Saison sehr professionell um ein Bakshish anjammern. Angeblich hat man aber in der Nacht, bevor ich die Felder besuchte, eine Bande Diebe erfolgreich festgenommen.

Safranwächter

Geerntet wird nur kommunal, da dann jeder auf jeden (und die Safranwächter auf alle) aufpaßt, damit keiner beim Nachbarn ein paar Narben klaut; außerhalb der festgelegten Erntezeiten sind die Felder für alle tabu. Viel Ernte ist noch nicht zu sehen, da wir ja erst ganz am Beginn stehen. Trotzdem hatte ich Glück und kam sogar mit einem Safranbauern ins Gespräch, der ganz passabel Englisch verstand und mich mit Begeisterung in die Geheimnisse des Anbaus und der Ernte dieses Gewürzes einwies, Einladung zum Tee bei der Familie inclusive.

…und die Armee bewacht in Srinagar sowieso alles

Am Anfang steckt man einzelnen Safranknollen in die Beete, die das ganze Jahr über vegetationsfrei gehalten werden müssen. Im darauffolgenden Herbst kann man bereits das erste Mal ernten, wobei aus jeder Knolle höchstens eine Blüte treibt; im Lauf der Jahre vermehren sich die Knollen, und die Blüten sprießen dann im Büschel. Etwa gleichzeitig mit den Blüten, oder knapp danach, bilden sich die Blätter, die aber auch nur kurz persistieren, bevor sie zur Winterruhe einziehen. Den Rest des Jahres sieht man nichts vom Safran; deshalb ist es notwendig, die Felder regelmäßig von allem Pflanzenbewuchs zu säubern, damit der Safran im Herbst überhaupt noch durchstoßen kann. Etwa alle zwölf Jahre müssen die Felder gerodet und neu besteckt werden.

Familie beim Safranpflücken

Die Ernte ist theoretisch sehr einfach: Man pflückt die Blüten tief am Boden und sortiert in einem zweiten Arbeitsschritt alles bis auf die roten Narbenäste aus, die dann im Schatten getrocknet werden. Das hört sich recht einfach an, bis man bedenkt, daß jede Blüte nur ein paar Milligramm Narbe liefert und man folglich hunderte Blüten pro Gramm fertigem Gewürz braucht.

Noch eine Familie beim Safran Pflücken

In der indischen Küche ist Safran ein sporadisches Gewürz, das einigen wenigen Gerichten (darunter aber sehr bekannten) seinen Stempel aufprägt. Im Süden wird er kaum verwendet, dagegen war er in den Mogulenpalästen gerne gesehen und geschmeckt, wohl auch als kulturelle Verbindung zur persischen Heimat der Mogulen. Einige heute übliche Adaptionen von mogulischen Gerichten enthalten immer noch oft Safran, allen voran Biryani (über den ich ein anderes Mal genauer schreiben werde), aber auch der letztes Mal beschriebene Shahi Panir wird manchmal mit Safran gewürzt. In anderen Speisen ist er dagegen aus der Mode gekommen, zum Beispiel habe ich ihn noch aus keiner Tanduri-Mischung herausgeschmeckt, obwohl in historischen Rezepten als Marinadezutat genannt wird.

Ras Malai mit Safrangeschmack

In Indien ist Safran kaum jemals Bestandteil von Gewürzmischungen (und wenn, dann nur als farbgebende Komponente). Das hat zwei Gründe: Erstens kombiniert man Safran ohnehin nicht so gerne mit anderen Gewürzen, sondern setzt ihn lieber (eventuell neben Cardamom) als Hauptgewürz ein, und zwar nach dem Motto „Klotzen nicht kleckern“ gleich in satten Mengen. Biryani ist hier nur eine scheinbare Ausnahme, da der Safran hier ganz konzentriert nur den Reis (oder einen Teil des Reises) würzt und mit dem andersartig aromatisierten Fleisch kontrastiert. Zweitens wird Safran bevorzugt frisch zerbröselt in Wasser oder Milch eigeweicht und in Form dieser dottergelben Suspension eingesetzt – das für andere Gewürze typische Anbraten würde sein Aroma völlig zerstören.

Mit Safran gefärbter Reis

Am häufigsten findet man Safran in Süßpeisen. Sehr bekannt ist Khir (manchmal kheer geschrieben), in Ghi angebratener Weizengrieß, der mit Milch zu einem dünnflüssigen Brei verkocht wird; gegen Ende der Kochzeit fügt man dann die Safranmilch zu. Auch Ras Malai, die bekannten Frischkäsebällchen in einer Sauce aus eingekochter Milch, gibt es in einer Safran-Variante.

Safraneis ist ein Klassiker, der mindestens bis in die Mogulenzeit zurückreicht. Gezuckerte und mit Safran gewürzte Milch wurde mit einer Mischung aus Eis mit Salz oder Salpeter gekühlt, bis es teilweise gefror; die dazu nötige Logistik war beträchtlich, denn das dazu nötige Eis mußte ja aus dem Himalaya quer über die heiße nordindische Tiefebene angeschleppt werden, ehe es in den kaiserlichen Kellern eingelagert werden konnte. Heute kühlt man natürlich fast immer elektrisch, aber in Hyderabad habe ich vor ein paar Monaten tatsächlich am Markt noch einen Eisfabrikanten gesehen, der sein Eis auf die altväterliche Methode herstellte: Die Milch–Frucht-Mischung wurde in einem dünnwandigen Metallgefäß gerührt, während dieses von außen mit gebrochenem Eis und Salz gekühlt wurde.

Eisfabrikation nach Großvaters Art

Das klassische Safraneis (Kulfi) ist einfach halbgefrorene Milch mit Zucker und Aromen und unterscheident sich sehr von den heute üblichen cremigen Industrieprodukten, die ihre angenehme Konsistenz viel Fett, Emulgatoren und winzige Luftblasen verdanken. Eiscremes mit Safrangeschmack werden in Indien auch industriell hergestellt und sind als Luxusprodukt vor allem bei urbanen und wohlhabenderen Indern sehr beliebt; man bekommt sie vor allem in den typischen Urlaubsorten fǘr Inlandstouristen angeboten.

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