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Griechische Esskultur von der Antike bis heute

Die griechische Küche hat mit ihren mediterranen Elementen das Image einer klassischen Urlaubsküche: Mezes, wie Tzatziki oder Taramosalata, Grillgerichte wie Gyros oder Souvlaki und Gemüsegerichte wie Moussaka oder Bauernsalat sind Speisen, die Bilder von weißen Häusern und türkisblauem Mittelmeer aufkommen lassen. Griechische Küche ist jedoch weit mehr. Zwar passt eine Vielzahl der Gerichte in die gemeinsame Klammer mediterraner Küchen, doch gibt es sehr typische Charakteristika, die die griechische Küche als eine Landesküche präsentieren, die zwischen den Einflüssen des östlichen und des westlichen Mittelmeerraums steht: viel Gemüse, Wildkräuter und orientalische Gewürze, Olivenöl und Zitronen, Fisch und Meeresfrüchte, Lamm und Ziege, Käse und Joghurt; Zutaten, die in dem sehr insellreichen Land regional sehr unterschiedlich zubereitet werden. Zudem ist die griechische Küche eine saisonale, die nicht nur aus den eher bekannten „Sommergerichten“ besteht, sondern auch eine ausgewiesene Winterküche hat mit einer Vielzahl von Schmorgerichten, Eintöpfen und Suppen. Schließlich ist es eine Küche, deren Facetten sich wie auch bei anderen Länderküchen weniger durch das erschließen lassen, was in Restaurants angeboten wird, sondern die durch die Traditionen und die Kreativität derer lebt, die sie zu Hause selbst zubereiten.

Der folgende Beitrag begibt sich historisch auf Spurensuche, angefangen im Antiken Griechenland über die Jahrhunderte machtpolitische, aber auch kulinarischer Einflüsse, bis in die Moderne. Im zweiten Teil geht es um die Charakteristika heutiger griechischer Esskultur, wie sie gelebt wird und was sie ausmacht. Der dritte Teil schaut auf die Küche griechischer Regionen und wirft den Blick auf einige besondere „Herzensangelegenheiten“.

Griechische Esskultur von der Antike bis heute – Übersicht
Teil 1 – Die Wurzeln griechischer Esskultur, die Küche Byzanz‘, die Küche im Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert
Teil 2 – Grundelemente der griechischen Küche, Mahlzeiten, prägende Zutaten
Teil 3 – Griechische Regionenküche; lieb gewordene Zutaten; eine kulinarische Frage der Ehre

Wurzeln griechischer Esskultur

Die Küche Griechenlands kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Kein Wunder, reichen die Wurzeln der griechischen Zivilisation doch bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. zurück. Antike, griechische Quellen gewähren uns mit die frühesten Einblicke in die kulinarischen Gewohnheiten der Antike. Verfolgt man die Traditionen von diesen Wurzeln aus bis auf den heutigen Tag, dann bildet sich ein deutliches Erkennungsmerkmal der griechischen Esskultur heraus: Roter Faden ist eine Küche, in der die Charakteristik der Hauptzutaten eine große Rolle spielt und in der ein „Übertünchen“ dieser Aromen eher verpönt ist. Gleichwohl spiegelt sich auch in der griechischen Küche die lebendige Geschichte des Landes wieder, die geprägt ist von Phasen der eigenen Expansion – und dem damit verbundenen Import von Zutaten – und Phasen, in denen die Griechen fremde Herrscher in ihrem Land dulden mussten, nicht ohne deren Essgewohnheiten teilweise zu adaptieren. Eine besondere Phase war die des byzantinischen Reichs, in der über eine lange Zeitspanne die Küchen des östlichen Mittelmeerraums ähnlichen Prägungen ausgesetzt waren und viele gemeinsame Entwicklungsschritte gemacht, aber dennoch, wie die griechische Küche, regional ihre Eigenheiten bewahrt haben.

Neben der Geschichte ist die griechische Küche jedoch auch stark geprägt durch die geografischen Besonderheiten des Landes. Für das durch seine Inseln küstenreiche Griechenland hat Fischfang von Alters her eine große Rolle gespielt. Gleichzeitig ist es Gebirgsland mit einem Gebirgsanteil von immerhin knapp 80 %, der sich meist über 1000 m bis zu knapp 3000 m über dem Meeresspiegel erhebt. Verbunden mit einem mediterranen Klima, das sich durch milde Winter, aber auch durch trocken-heiße Sommer auszeichnet, ergeben sich Rahmenbedingungen, die auch die Esskultur des Landes stark beeinflusst haben. So ist beispielsweise das Halten großer Viehherden im bergigen Gelände nur schwer möglich. Ein Grund, warum in der griechischen Küche lange Zeit Fleisch zu Gunsten von Gemüse eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Erst im Zuge des steigenden Wohlstands der letzten Jahrzehnte ist die griechische Küche deutlich fleischlastiger geworden. Im Gegenzug dazu haben sich die Griechen schon früh eines Reichtums bedient, den ihnen die gebirgigen Landschaften bietet: eine Fülle von Wildkräutern und Wildgemüsen, die auch heute noch ihren festen Platz in der griechischen Küche haben.

Die Küche im Antiken Griechenland

Die Wurzeln der griechischen Küche liegen im Antiken Griechenland, einer Kultur, die als solche vom 8. Jahrhundert vor Christus bis ins 3. Jahrhundert nach Christus auch noch unter römischer Herrschaft prägend war. Hinweise, welche Zutaten vor der Jahrtausendwende den Speiseplan der alten Griechen prägten, findet man in einigen Werken griechischer Dichter. Überlieferte Texte von Alcman, Hesiod oder Homer zeigen, dass bereits in den Jahrhunderten vor Christi Geburt Oliven und Wein, Granatapfel, Quitte und Feige, Ziege und Gerste eine große Rolle spielten, aber auch Reis bereits vor der Jahrtausendwende bekannt war. Aus diesen Zutaten bestanden dann auch die 3 Grundelemente einer antik-griechischen Mahlzeit: Grundnahrungsmittel (Brot oder Getreidebrei), Sauce (Gemüse, Fisch oder Fleisch) und Oinos, also Wein.

Den Texten des ersten „kulinarischen“ Schriftstellers Archestratus kann man entnehmen, dass schon damals Fisch eine sehr kostspielige Angelegenheit gewesen sein muss. Archestratus, der etwa Mitte des 4. Jahrhunderts v. Christus gelebt hat, gilt als Erfinder des Begriffs „Gastronomie“. Sein Gedicht „Gastronomia“ (Regeln für den Magen), das in Fragmenten überliefert ist, ist zwar nicht wie das berühmte Buch des Apicius, ein wirkliches Kochbuch, also eine direkte Anweisung, wie Speisen zuzubereiten werden. Gleichwohl vermittelt es aber einen Eindruck über das, was das Wesen der Küche zur damaligen Zeit ausmachte oder ausmachen sollte: im Gegensatz zur von Apicius beschriebenen, sehr opulenten Küche des späten Roms, eine Küche, die nur aus  ausgesuchten Kombinationen und Würzen bestand, denen kein „Unsinn“ zugefügt werden sollte. 

Verbindungen zum römischen Kochbuch des Apicius ergeben sich vor allem in der Verwendung würzender Zutaten, die zeigen, dass man sich auch im Antiken Griechenland der Gewürze und Aromen anderer Regionen bediente. So ist vom inzwischen ausgestorbenen Silphium (Nordarfrika) genauso die Rede, wie von Fischsauce (Schwarzmeerküste), Kreuzkümmel (Westasien), Sumach (Syrien) oder Kapern (bereits bei den Sumerern bekannt). Zimt (China) wurde durch Alexander dem Großen importiert. Ebenfalls überliefert sind Hinweise und Beschreibungen der Mahlzeiten selbst: Klassisch aßen die Griechen zur damaligen Zeit zwei Mahlzeiten am Tag: Zum Frühstück (aristo) gab es Brot, Olivenöl, Früchte und – zumindest in den wohlhabenderen Schichten – Rotwein. Das Abendessen (deipnon), war die wichtigste Mahlzeit des Tages, die mit einer reichhaltigen Auswahl kleinerer Speisen (den heutigen mezedes ähnlich, jedoch üppiger) begann. Diese wurden ohne Wein genossen. Erst im zweiten Teil des Abends, zum Symposium (Gastmahl) gab es Wein, zu dem Früchte, Honig, Nüsse, Kuchen und Konfekt gereicht wurde. So war die Grundlage für einen langen Abend, an dem ausgiebig disktuiert werden konnte, gelegt. Gegessen wurde im „andron“ (Speisesaal, wörtlich jedoch Männerzimmer), ein Hinweis darauf, dass zu dieser Zeit Männer und Frauen getrennt speisten.

Zu den bedeutendsten kulinarischen Errungenschaften aus der Zeit des antiken Griechenland dürfte die Kultivierung der Olive zählen, einer Frucht, die heute fast synonym für mediterrane Küche steht und auch in der modernen griechischen Küche noch einen sehr hohen Stellenwert genießt.

Die byzantinische Küche

Das byzantinische Reich um 1000 n. Chr.

Im Mittelalter (vom 4. bis zum 12. Jahrhundert) war Griechenland Bestandteil des byzantinischen Reichs. Dessen Küche war eine Fusion aus griechischen und römischen Elementen, aromatisiert mit jenen Gewürzen, die durch die günstige Lage Konstantinopels als Knotenpunkt des damaligen Gewürzhandels, reichlich vorhanden waren.

Das byzantinische Reich, das in seiner Blütezeit den nordöstlichen Teil des Mittelmeerraums einnahm und vom Balkan über die heutige Türkei bis hinunter zur arabischen Halbinsel reichte, vereinte viele Ethnien. Charakteristisch für die byzantinische Küche ist, dass es sie als solches eigentlich gar nicht gab. Vielmehr behielten die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ihre kulinarischen Eigenheiten bei, nicht ohne sich jedoch wechselseitig zu beeinflussen und auch offen zu zeigen für neue Einflüsse aus Asien oder Afrika. Gleichzeitig zeigte sich die Küche besonders in Konstantinopel unter byzantinischem Einfluss sehr innovationsfreudig und hat uns einige Zutaten und Zubereitungen beschert, die wir heute als ganz selbstverständlich sehen.

Auberginen heute eine der als typisch für die mediterrane Küche geltenden Gemüsesorten, stammen eigentlich aus Indien und erreichten das byzantinische Reich im frühen Mittelalter. Sie gehören inzwischen zu den beliebtesten griechischen Gemüsen. Ähnliches gilt für den Spinat, dessen Vorläufer etwa zur gleichen Zeit aus dem persischen Raum Einzug hielt, sich im westlichen Mittelmeerraum allerdings erst durch die Sarazenen etwas später durchsetzte. Die Kultivierung von Zitronen und später auch Orangen im östlichen Mittelmeerraum wurde zu jener Zeit maßgeblich voran getrieben. Diese Zitrusfrüchte, besonders die Zitronen, sind aus der heutigen griechischen Küche nicht mehr wegzudenken. Ebenfalls von den Byzantinern hoch geschätzt war Fischrogen und später auch Kaviar, der sich heute noch im Taramosalata, dem Fischrogensalat als klassischer Bestandteil für Mezedes wiederfindet. Zucker, bei den Römern noch Luxusgut, war im byzantinischen Reich reichlich vorhanden und wurde häufig statt Honig verwendet für reichhaltig gesüßte, meist in Sirup getränkte Speisen, die heute selbstverständlich in allen Küchen rund um das östliche Mittelmeer sind. Eine ebenfalls in dieser Region verbreitete Sitte ist das Füllen von Weinblättern, das auch auf die byzantinische Epoche zurückgeht. Regional unterschiedlich, mal mit, mal ohne Fleisch, bevorzugt man heute in Griechenland die vegetarische Variante: mit Reis gefüllte Dolmades.

Abschließend für die byzantinische Epoche sollen jedoch noch zwei Dinge erwähnt werden, die deutlichen Niederschlag über den eigenen Kulturraum hinaus gefunden haben: zum einen der Begriff Salat, abgeleitet aus herba salata (gesalzene Kräuter) und jene von den alten Griechen geschätzten Wildkräuter meint, deren Verwendung in der byzantinischen Zeit verfeinert wurde; zum anderen die Gabel als Essbesteck, die aus Byzanz stammend über Italien zögerlich das europäische Bürgertum erreichte, sich jedoch erst relativ spät als „Essbesteck der Massen“ in Europa durchsetzen sollte.

Vom Mittelalter in die Moderne

Osmanische und italienische Einflüsse

Mit Zerfall des byzantinischen Reiches begann eine mehrere Jahrhunderte bis ins 19. Jahrhundert andauernde Zeitspanne, in der Griechenland im Spannungsfeld besonders zweier Mächte stand: vom Westen her die Venezianer und vom Osten her die Osmanen, die sich um einige Regionen Griechenlands recht heftige Gefechte lieferten, mit der Folge, dass diese mal zur einen, mal zur anderen Seite „gehörten“. Spuren in der Küche der jeweiligen Regionen haben beide hinterlassen. So sind beispielsweise auf Korfu, das lange unter italienischem Einfluss stand, Pastagerichte sehr beliebt, die in ihrer Zubereitung, besonders der Würze der Saucen, jedoch deutlich „griechische Züge“ zeigen.

Eine der bedeutendsten Hinterlassenschaften des osmanischen Reiches dürfte der Kaffee sein, der im 15. Jahrhundert über Persien seine Verbreitung fand. Aber auch andere Zubereitungsvarianten, wie die Verwendung von Joghurt (verwendet in Saucen, wie Tzatziki, in Süßspeisen aber auch in  Schmorsaucen), das Schichten von Fleisch und Gemüse und seine Zubereitung im Ofen (wie beim Moussaka) oder geschichtete Süßspeisen wie Baklava wurden während der osmanischen Epoche in den griechischen Speiseplan übernommen. Besonders stark ist der osmanische Einfluss in der Küche Nord-Ost-Griechenlands.

Einflüsse des 20. Jahrhunderts

Im 20. Jahrhundert hat die griechische Küche in zweierlei Richtung einen spürbaren Wandel vollzogen. Die eine ist einem griechischen Koch mit internationaler Ausbildung  zu verdanken, der seine Erfahrung mit ausländischen Küchen in die griechische Küche eingebracht hat. Nicholas Tselementes schrieb ein Kochbuch, das zur Bibel für die griechische Küche wurde. Dabei formulierte er auch so etwas wie eine hohe griechische Küche, die deutlich französischen Einschlag bekam. Besonders zeigt sich das im Import der Bechamelsauce. Durch diese cremige, aber auch sehr mächtige Sauce wurde das Bild vieler traditionellen Ofengerichte plötzlich verändert. Die Moussaka, eine Schichtspeise mit Aubergine und Hackfleisch, rückte dadurch stark in die Nähe einer Lasagne. Die lange gefeierte Aufwertung der griechischen Küche hat jedoch inzwischen auch Kritiker auf den Plan gerufen, die dadurch ein Verwässern dessen bemängeln, was in ihren Augen griechische Küche bedeutet.

Der zweite große Einfluss erfasste die griechische Küche eher in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Steigender Wohlstand und die deutlich bessere Verfügbarkeit von Fleisch führten dazu, dass die eher vegetarische griechische Küche, mit ihren in der Natur oder im heimischen Garten geernteten Produkten, sich deutlich in Richtung fleischlastiger Speisen entwickelte. Schweinefleisch, das vorher eher nur im Winter konsumiert wurde, wird nun ganzjährig gegessen, Rindfleisch, zuvor fast gar nicht verfügbar, hat inzwischen seinen festen Platz auf dem Speiseplan erobert.

Weiter mit Teil 2 – Grundelemente der griechischen Küche, Mahlzeiten, prägende Zutaten

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