Vom Grab Jesu, Warnhinweisen für die Nudistenszene und riesigen Broten
nach dem saisonsbedingten Safran-Special letzte Woche gibt es nun wieder thematisch breitergetreute Berichte aus einem Ort, wo ich vor knapp zehn Monaten schon einmal war: Srinagar, die schöne Sommerhauptstadt des Bundesstates J&K (Jammu and Kashmir), ist eine meiner Lieblingsstädte in Indien, daran können nicht einmal die nervigen Souvenirhändler etwas ändern, die dem Touristen überall auflauern, mit höchster Selbstverständlichkeit sofort ein Gespräch beginnen und ernsthaft erwarten, daß man sofort die Stadtbesichtigung aufgibt, um sich in ihrem Souvenirladen bei viel Tee übers Ohr hauen zu lassen.
Eigentlich hatte ich mich ja schon gegen Einquartierung in einem Hausboot und für ein Hotel entschieden, aber am Busbahnhof packte mich sofort ein geschäftstüchtiger Kashmiri, der mich in eine Motorriksha verfrachtete und zu seinem Hausboot schleppte – da ich diesen Busbahnhof nicht kannte und daher nicht wußte, wo ich mich überhaupt befand, mußte ich es mir wohl oder übel gefallen lassen, um in eine bekanntere Gegend zu kommen. Die Lage des schwimmenden Hotels im Jhelam-Fluß war dann doch so günstig, daß ich nachgab – ganz zu meinem Glück, denn diese Leute waren wirklich grundehrlich und enthielten sich all der bei Kashmiri so beliebten Tricks, ihre Gäste zu schröpfen: Keine Souvenirhändler, keine unaufgeforderten Extraleistungen, keine Aufdringlichkeiten, dafür echte Hilfestellung bei praktischen Fragen von Transport oder Sehenswürdigkeiten. Mit einer fast deutschen Prinzipientreue und einer Liebe fürs Formale hielten sie mir sogar einen Vertrag vor, in dem alles eingetragen war, was im Preis includiert sein sollte, damit es am Ende keinen Ärger gebe. Und es gab dann auch wirklich keinen. Yepp, die Shelter Group of Houseboats kann ich nur empfehlen (für alle potentiellen Srinagar-Touristen: Am Lal Chowk die Fußbrücke über den Jhelam überqueren und dann erstes Boot links, fast genau vor dem Museum).
Obwohl es wesentlich wärmer als im Jänner ist, kühlt das Hausboot über Nacht stark ab, und das Feuerholz (im Vertrag festgehalten: Ein Mal pro Tag eine Ofenladung voll) für den eisernen Kanonenofen war den Aufpreis wirklich wert. Tagsüber ist es recht warm, aber sehr dunstig, mit minimaler Fernsicht, aber trotzdem genoß ich die Spaziergänge durch die Altstadt, die mir tatsächlich sogar ein paar neue Sehenswürdigkeiten offenbarten.
Die Aufregendste davon ist bestimmt der sogenannte Rozabal-Schrein, auch bekannt als „das Grab von Jesus Christus“. Die lokale Legende sagt, daß Jesus in Wirklichkeit ein kashmirischer Jude gewesen sei, der dank Yoga-Techniken die Kreuzigung überlebt und danach einfach nach Kashmir heimgekommen und hier an Altersschwäche verstorben sei. Da der Islam Christus als Propheten anerkennt, wird das Grab entsprechend in Ehren gehalten und auch von Moslems zum Beten besucht: Wohlgemerkt, man betet hier zu Gott, nicht zu Christus, der als Prophet (wie Moses oder Mohammed) Verehrung, aber nicht Anbetung verdient. Im Jänner war der Schrein immer versperrt, aber diesmal hatte ich Glück, und er stand unbewacht offen. Daher konnte ich ihn nicht nur besichtigen, sondern sogar entgegen dem Photoverbot einen Schnappschuß wagen. Die Architektur ist sehr unspektakulär und erinnert in der Aufmachung an ein typisches Sufi-Grab.
Ein wesentlich großartigerer Sufi-Schrein steht nur eine Gehminute weiter: Der Komplex des Pir Dastgir Sahib. Das grün–weiß gestreifte Gebäude beherbert das Grab des Meisters und einige große Gebersräume, die mit ihrer üppigen Pappmaché-Dekoration (ein berühmtes lokales Kunsthandwerk) und den kitschigen Kristallustern sehr orientalisch wirkt. Am Eingang steht ein Schild mit der bizarren Aufschrift “Visitors are requested not to enter the shrine if naked”, aber an eine lokale Nudistenszene mit Sufi-Ambitionen kann ich trotzdem nicht glauben.
Die Beliebtheit des Kashmir-Tales bei Touristen ist keine neue Erfindung: Bereits zu den Zeiten der Mogulen verbrachte hier jeder, der es sich leisten konnte, die heißen Sommermonate. Jahan Gir, ein Kaiser des frühen 17. Jahrhunderts, konnte es sich bestimmt leisten, und von ihm stammt angeblich der Ausspruch, den sich heute die JKTDC (die J&K Tourist Development Corporation) auf die Fahnen geschrieben hat: “Paradise on Earth”. Er ließ sich auch einen heute noch existierenden Garten bauen, den Shalimar Bagh, der typisch für orientalische Gartenbaukunst Harmonie durch Symmetrie schafft. Allerdings gefiel ihm der Nishat Bagh besser, der unglücklicherweise von einem seiner Minister erbaut worden war und ihm ein ständiger Dorn im Aug war. Auch ich finde des Nishat-Garten schöner, weil er an einem Hang liegt und bessere Ausblicke auf die Berge und auf den Dal-See bietet.
Beide Gärten sind symmetrisch rund um eine zentrale Achse aus Wasserbecken und Springbrunnen angelegt, und werden von Inlandstouristen wie Einheimischen gleichermaßen besucht. Eine typisch indische Eigenheit sind die Kostümverleiher, die farbenfrohe, mogulisch angehauchte Samtgewandung zum Ausleihen anbieten. Sinn der Übung ist es, daß den obligatorischen Familienphotos ein besonderers farbenfroher İ-Punkt verliehen wird.
Die Kashmir-Küche ist innerhalb Indiens eine herausragende Kuriosität, was vor allem den vielen Fleischgerichten geschuldet ist, die sehr aromatisch in Joghurt geschmort und mit einer Vielzahl von Gewürzen aromatisiert werden. Der mogulische Einfluß hat sich sehr positiv bei der Verwendung von Zimt, Nelken und Cardamom niedergeschlagen, und der tiefrote, hocharomatische und pikante aber dabei nicht brennend–scharfe Chili, wie er nur hier in der Region wächst, tut sein übriges. Von manchen Spezialitätet wie Yakni und Rogan Josh habe ich Dir ja schon das letze Male geschrieben, hier ein Nachtrag zu ersterem: Zwar haben mir einige Leute erklärt, daß diese Fleischbällchen aus gestampftem Fleisch und Hammelfett mit Eiklar gebunden werden, aber der Koch meines Hausbootes verzog darauf nur angeekelt das Gesicht und meinte, die müssen auch ohne Ei zusammenhalten, so etwas sei einfach nur schlechte Küche. Eine zweite Variante von Fleischbällchen ist übrigens Goshtaba, die werden nicht in eine chilischwangeren scharfen Sauce, sondern in einer mildgewürzten Joghurt-Schmorflüssigkeit gargezogen; sie stehen also zu Rista einem ähnlichen Verhältnis wie Yakni zu Rogan Josh.
Kashmir hat ein lokales Gewürz, den schwarzen oder kashmirischen Kreuzkümmel, auch bekannt als kaiserlicher Kreuzkümmel. Diese Wildpflanze wächst nur im Himalaya und Pamir, und ihre dünnen, dunkleren Früchte werden gerne als Alternative zum Kreuzkümmel verwendet. Man findet sie auch in der eigenartigen Gewürzzubereitung „wari“, einer etwas öligen Paste aus dem ebenfalls nur lokal als Färbemittel verwendeten Hahnenkamm, Chili und anderen Gewürzen; man kann sie sogar manchmal in Deutschland als „Kashmiri Masala“ fertig kaufen. Sie wird oft wie thäildische Currypaste als Gewürz für Currysaucen verwendet, oder auch (roh oder kurz angebraten) als Tischwürze gereicht.
Zuletzt muß ich noch auf paratha zu sprechen kommen. Darunter versteht man überall in Indien eine Art gefülltes Chapati: In den Teig aus Weizenmehl und Wasser wird ein Gemüsecurry (meist KartoffelnÄdäppel, Erdapfel, Erdbirne, Erdling, Grumbeer; Eng: potato; Franz: pomme de...) eingearbeitet, das ganze plattgewalzt und in der Pfanne gebratenfranzösisch in der Pfanne gebraten.
Außerdem gibt es in Südindien noch purota, ein ungefülltes gefaltetes Brot, das auf einer heißen Platte gegart wird. In Kashmir ist paratha allerding ein riesengroßer frittierter Lappen aus Hefeteig, der auf der Straße frisch zubereitet und am besten sofort genossen wird. Er schmeckt phantastisch knusprig und erinnert ein bißchen an ungarisches langos, aber natürlich ohne den Knoblauch.
In der Altstadt gibt es überall kleine Stände, die außer paratha auch andere frittierte Snacks wie Pakora und Samosa anbieten.
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