Bandipur – Rüschenbestickte Polster, ein Höllentrip auf dem Busdach und ein kulinarisches Trauma
unglaublich aber wahr: Nach rund eineinhalb Monaten habe ich nun mein Herz soweit verhärtet, daß ich Kathmandu verlassen konnte. Die Stadt wird definitiv meine Lieblingsstadt in Südasien bleiben, aber nun will ich endlich mehr von Nepal sehen.
Mein erster Weg führt mich in die hübsche Stadt Bandipur, die in den Mahabharat-Bergen (eine Art Vorgebirge zum Himalaya) liegt und für ihre mittelalterliche Atmosphäre berühmt ist. Das Städtchen liegt auf dem Rücken eines Hügels gerade über dem Prithvi-Highway, ist selbst aber erst seit einem Jahrzehnt per Kraftfahrzeug zu erreichen. Dieser erzwungene Dornröschenschlaf hat hier ein Stück charmanter Ursprünglichkeit bewahrt, das Bandipur auch ohne Vorliegen spezieller Sehenswürdigkeiten zu einem attraktiven Reiseziel macht.
Eine gepflasterte Straße führt zum Hauptplatz mit dem hübschen Bindyabasini-Tempel, von wo man hinauf zu weiteren Tempeln und Aussichtspunkten oder hinab zum öffentlichen Wasserplatz steigen kann; da Kraftfahrzeuge nur bis zum Ortsrand fahren dürfen, ist die ganze Hauptstraße so eine Art Fußgängerzone mit hohem Erholungswert. In den letzten zehn Jahren sind jede Menge Restaurants und Guest Houses entstanden, die wenig Komfort aber viel Stimmung für kleines Geld anbieten. Ich wohne mit zwei Schweizer Reisenden in einem alten Newari-Holzhaus, in einem mit unsagbar kitschigen Papierblumen, rüschenbestickten Polstern und vergilben Landschaftsphotographien vollgestopftem Zimmer mit prächtigem Ausblick auf die waldbedeckten Hügel ringsum. Um zur Dusche mit kaltem Wasser im Garten zu kommen, muß man erst durch die Küche der Vermieter laufen, aber so eine Unterkunft hat mehr Atmosphäre als ein nur wenig teureres Hotelzimmer mit Ventillator, WC und Warmwasserdusche!
Obwohl die Regenzeit nominell zu Ende ist, bleibt die Fernsicht hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem lassen sich bei Sonnenuntergang schneebedeckte Berge im Norden erkennen, deren Gipfel wirklich bis in die Wolken reichen. Sonst kann man in Bandipur noch zu diversen Tempeln und Heiligtümern spazieren, oder die auf einer nahen Seidenfarm den Raupen beim Vernaschen ihrer Maulbeerblätter zusehen.
Nur 60 km entfernt liegt Gorkha, eine ganz andere Bergstadt. Gorkha ist der Ursprungsort der Shah-Dynastie, die Nepal im 18. Jahrhundert gewaltsam einigte und bis zum Vorjahr den König stellte. Viele Newar betrachten es als ein kulturelles Zentrum des Landes, und der Darbar mit dem Geburtshaus des späteren Eroberers Prithvi Shah gilt als ein ebenso nationales wie religiöses Heiligtum.
Gut zwanzig Kilometer (also eine Stunde) fährt man auf einer Stichstraße vom Prithvi-Highway in die Berge, bis man in Gorkha ankommt. Ich bekam nur noch auf dem Dach des Busses einen Platz und konnte dort zusammen mit zwei belgischen Touristinnen um mein Leben zittern, während sich der Busfahrer ein wildes Wettrennen mit seinen Kollegen lieferte, die ihre ebenso überbelegten Busse durch die steile, kurvenreiche Straße pilotierten.
Einmal angekommen, machte sich zunächst Enttäuschung breit: Die an einem steilen Hang gelegene Stadt macht überhaupt keinen sehenswerten Eindruck, es dominiert der Schwerverkehr auf der staubigen Hauptstraße. Steigt man aber über den Busbahnhof auf, so wandelt sich das Bild, und man spaziert durch eine ruhige Stadt mit traditionellem Erscheinungsbild und einigen sehenswerten Tempeln. Leide waren die Residenzgebäude der Shah-Familie gerade für Besucher gesperrt.
Um zum Darbar zu kommen, muß man eine Dreiviertelstunde auf steilen Steinstufen zu einem Hügelrücken aufsteigen. Von dort könnte man (an besseren Tagen) einen herrlichen Ausblick haben, aber der Dunst verbarg jeden Himalaya-Gipfel zuverlässig hinter einem Schleier so undurchdringlich wie dem der Maya. Bluttropfen auf den Stufen zeigen an, daß wieder einmal ein Feiertag ansteht, zu dem Tiere im Tempel geopfert werden; und knapp unter dem Darbar fand ich einige tote Ziegen auf dem Weg in den Kochtopf. Tieropfer spielen im Newari-Hinduismis eine beträchtliche Rolle und werden nur den Göttinnen Kali und Durga dargebracht, wobei die Damen auf unkastrierten männlichen Opfertieren bestehen, warum auch immer.
Endlich am Darbar angekommen, wunderte ich mich über die Einsamkeit, da kaum Besucher zu sehen waren. Selbst der Ticket-Schalter am Eingang war unbesetzt (ich beklage mich nicht), und so durfte ich zwar barfuß aber finanziell ungerupft den Ort besuchen, in dem viele Nepali das historische und spirituelle Herz ihres Landes sehen. Der Darbar besteht aus drei Gebäuden: Dem Kalika Mandir, einem düsteren Tempel der zerstörerischen Göttin, dem Geburtshaus von Prithvi Shah und dem Gorakhnath Mandir, einem ungewöhnlich in die Breite gebauten Shiva-Tempel.
Der Kalika Mandir darf nur von Brahmanen und dem König betreten werden, aber bereits der Hof mit seiner schönen Holzkonstruktion ist einen genauen Blick wert. An hohen Feiertagen werden hier Büffel geopfert, und dann soll der Hof wörtlich im Blut schwimmen. Das Geburtshaus Prithvi Shahs darf teilweise betreten werden und hat eine museale Atmosphäre, aber die exquisiten holzgeschnitzten Fenster und Balkone übertreffen das Meiste, was ich in Kathmandu sah. Amüsant sind die historischen Gurkha-Flinten, die immer noch an den Eingang gelehnt stehen.
Der Gorakhnath Mandir ist ein extrem beeindruckender Ort, und ein seltenes Beispiel für einen Tempel, der auch von Nicht-Hindus betreten werden darf. Man schlendert über mehrere Terrassen bis zu einer durch einem kleinen ummauerten Hof, wo sich das Heiligtum selbst befindet: Ein vierköfiger Shiva-Lingam, der ständig von Wasser beträufelt wird. Zahlreiche Soldaten bewachen den Ort, der zu Monarchiezeiten immer wieder Schauplatz regierungskritsicher Aktionen war, aber erstaunlicherweise bleib ich die ganze Zeit über der einzige Besucher.
In der Nähe findet man noch ein Residenzgebäude der Shah-Familie, das verschlossen und leer steht, ein paar kleiner Heiligtümer und eine rätselhafte Fußspur in einem Felsen, die wahlweise Shiva oder Padmasambhava zugeschrieben wird. Danach kann man wieder die Steintreppen runterlaufen und sich ans Essen machen.
Obwohl Bandipur und Gorkha eigentlich Newari-Städte sind, sucht man eine kulinarische Szene wie in Kathmandu ganz vergebens. Stattdessen bekommt man Momos, tibetische Suppen, gebratene NudelnBeschreibung Nudeln ist der Oberbegriff für Teigwaren, die verschieden geformt... und das in den letzten eineinhalb Monaten gar nicht vermisste dal bhat tarkari zu essen, und wenn man Glück hat, einmal einen Büffel-, Ziegen- oder Hühnercurry. In Bandipur habe ich wenigstens einmal choila bekommen, allerdings nicht aus gegrilltem sondern gekochtem Büffelfleisch und daher recht fasrig, und einen pikanten Kartoffelsalat namens alu sadeko, der mir in seiner Präsentation ziemlich touristisch vorkam; ein anderes Erfolgserlebnis war der mushroom curry, zwar ein bißchen zu mild aber mit erfreulich knackigen Pilzstücken. Gorkha war dagegen ein einziges kulinarisches Trauma, und ich bitte Dich, daß Du mir Details ersparst.
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