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Etappe 11 – Shivkhori

Von einer allwissenden Müllhalde, der kalten Schulter einer Höhlengöttin und spirituellen Kichererbsen 

Jammu gefällt mir. Das ist zwar nichts Neues, davon habe ich Dir ja schon beim letzten Mal vorgeschwärmt – nichts zuletzt dank Herrn Soma, dem Besitzer der kleinen (und etwas schäbigen) Lodge, in der ich wohne. Begierig sieht er sich meine Bilder aus Südindien oder Nepal an und kommentiert sachkundig die Ikonographie und Mythologie der von mir eher in Unkenntnis abphotographierten Statuen und Malereien.

Außerdem hat Herr Soma auch immer gute Vorschläge, was man sich noch alles in der Umgebung ansehen kann. Gestern bin ich seinem Vorschlag gefolgt, das Höhlenheiligtum von Shivkhori zu besuchen, das sich gaaanz abgelegen im bergigen Hinterland der Jammu-Provinz versteckt und das nicht einmal von der Allwissenden Müllhalde, ähh, ich meine dem lonely-planet-Reiseführer, erwähnt wird.

Wer nicht gehen will, der reitet zur Höhle oder lässt sich tragen.

Um sieben Uhr morgens konnte ich keinen Dirketbus von Jammu nach Ransoo, dem Ausgangspunkt des Pilgerweges nach Shivkhori, finden; also machte ich einen Umweg über Katra. Katra ist übrigens selbst Startpunkt eines berühmten Pilgerweges, der 14 km auf einen Berg führt, wo man dann das Heiligtum der Vaishno Devi findet. Von Jammu aus ist der Trip kaum an einem Tag zu erledigen, und eine Nachtwanderung ist um diese Jahreszeit schon recht frostig; daher zeigte ich der Höhlengöttin die kalte Schulter.

Den Bus nach Shivkhori zu finden, war nicht das Problem; eher, ihn zum Fahren zu bringen. Ein Passagier verspätete sich um eine halbe Stunde; als er erschien, hielt es es offenbar für selbstverständlich, das alle auf ihn gewartet hatten. Kurz später gab es eine weitere Verzögerung mit einem magenverstimmten Kleinkind, und als krönender Abschluß platzte ein Reifen, der uns dann zwei Stunden bei fruchtlosen Reparaturversuchen festhielt, bis ein Ersatzbus eintraf. Nach zwei weiteren Stunden, es war inzwischen 15:30 und die Sonne stand nicht mehr sehr hoch über dem Gebirge, lud uns der Bus dann am Anfang des drei Kilometer langen Pfades zur Höhle aus.

Die letzten Meter zur Höhle

Trotz der Einschicht wimmelte es von Menschen, die die Pilgerschaft (yatra) antraten oder gerade von dieser zurückkamen. Jeder Pilger (yatri) wird EDV-gestützt erfaßt, und so treibt jetzt auch ein gewisser KARO NATH KHALSHA in der Datenbank sein Unwesen, wie ich auf dem mir ausgehändigten Ausdruck fassungslos lesen mußte.

Ein einigermaßen ordentlich betonierter Weg führte von dort ins Gebirge, auf dem die Pilger der Höhle entgegenschlendern konnten; alternativ kann man sich auch von einem Pony oder von vier Trägern in der Sänfte befördern lassen. Das lehnte ich dann doch ab und schaffte den Weg in einer halben Stunde, gerade rechtzeitig, um den Höhleneingang von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gekitztelt zu sehen. 

Der Höhleneingang zu Shivkhori

Wie ich eigentlich schon im Vorfeld befürchtet hatte, war dann fürs erste Schluß mit Kamera; die Armee wacht darüber, daß kein Handy und kein Taschenmesser, und schon gar keine Kamera (nicht einmal mein Zweitobjektiv) in den Tempel gelangt; lediglich meine im Geldgürtel getragene USB-Platte haben sie durchgehen lassen (aber sehr wohl kontrolliert). Der Weg führt durch einen trocknenen, sehr engen Flußlauf (dessen abgeschliffener Boden sich unter den nackten Füßen richtig gut anfühlt) in einen großen Dom mit betoniertem Fußboden. Dort stehen einige mehr oder minder bizarr geformte Stalagmiten, jeder geschmückt mit qualmenden Räucherstäbchen, bunten Tüchern, Blumengirlanden und einem segen­spendenden und bakshish­heißenden Brahmanen. Die Beleuchtung ist stimmungs­voll aber einfach; glücklicher­weise hat man auf animierte Om-Zeichen auf mehr­farbigen Leuchtdioden-Arrays verzichtet.

Echt fetter Gott!

Man erzählt sich: Der Dämon Bhamasura hatte lange Zeit zu Shiva gebetet und sich damit ein Recht auf einen Wunsch erworben; er verlangte die Gnade, daß jedes Wesen, dem er die Hand auf die Stirn legen würde, sofort sterben müßte. Shiva sagte ihm das gezwungener­maßen aber etwas widerwillig zu; der Dämon jedoch begann erwartungs­gemäß sofort, eine Terror­herrschaft auszuüben. Shiva versuchte, den Dämon in einem Gespräch zu einer friedlicheren Haltung zu überreden, aber dieses Konflikt­management endete (absehbarer­weise) damit, daß Shiva selbst vor der erhonbenen Hand in eine Höhle flüchten mußte, die so eng war, daß der etwas korpulente Bhamasura ihm nicht folgen konnte. Vishnu fand schließlich eine elegante Lösung: Er trat in Gestalt der wunderschönen Tänzerin Mohini auf und bezirzte Bhamasura, mit ihr zu tanzen. Das Hormonopfer tat wie geheißen und kopierte jede ihrer Bewegungen, bis sie sich mit der Hand auf die Stirn klopfte. Jaya!

In der Höhle der Neun Göttinnen 

Diese Shiva-Höhle ist wirklich ein wunderbarer Ort voller Ruhe und dezenter Spiritualität. Sogar zu ein paar Photos sollte ich noch kommen, denn auf der Heimfahrt stoppte der Bus vor der Höhle der Neun Göttinen nahe Katra, und in dieser sehr viel kleineren Höhle erlaubten mir die Brahmanen, ein paar verzitterte Bilder zu schießen. Erst Punkt Mitternacht schaffte ich es nach Jammu zurück.

Wie bereits letztens angedeutet: Die Art und Weise, wie hier in Jammu und Umgebung Hülsenfrüchte zubereitet werden, ist einfach nur rekordverdächtig. In Indien hat eigentlich der Punjab den besten diesbezüglichen Ruf, aber Jammu ist ja der Nachbar­bundesstaat und daher kann die hohe hiesige Kompetenz beim Kochen von Dal nicht wirklich verwundern.

Rettichsalat

Grundsätzlich sind Hülsenfrüchte nach indischer Art sehr einheitlich zubereitet: Man kocht sie zunächst in Wasser ohne weitere Zutaten (Linsen aber oft mit Curcuma) weich und verseht sie in einem zweiten Schritt mit Würze. Diese kann einfach aus in Fett angebratenen Gewürzen wie Kreuzkümmel, Ajowan, Chili und Knoblauch bestehen, oft aber auch mit Zwiebeln und Tomaten angereichert sein. Am besten schmeckt es, wenn eine Schöpfkelle der vorgekochten Hülsenfrüchte mit der Gewürz­zubereitung gemeinsam in der Pfanne eingekocht werden; dann spricht man auch oft Hinglisch von “Dal Fry”.

Rajma

Die lokal beliebtesten Hülsenfrüchte sind hier die festkochende Kichererbse, erhältlich in weiß und braun; die cremige Rajma, eine rote Bohne mit nussigem Geschmack; und die braune Linse, die üblicherweise zusammen mit Zwiebel und Knoblauch zu einem Püree verkocht wird. In meinem Stammlokal am Busbahnhof haben die Leute eine merkwürdige Koriander­leidenschaft und bestreuen die fertigen Gerichte nochmals mit Koriander­pulver und manchmal auch ein paar frischen Koriander­blättern. Zu allen Dal-Gerichten kann man sich auch ein Stück Butter extra kommen lassen: Die schmeckt nämlich gut, bringt ein paar Extrakalorien und ist außerdem als Kuhprodukt auch spirituell wertvoll.

Mit Kohl und viel Kreuzkümmel gefülltes Paratha

In den kleinen Restaurants am Busbahnhof (eigentlich Rhaba, aber meist transkribiert als Dhaba geschrieben) sind so ca. fünf bis zehn Speisen zu bekommen, die in großen Metalltöpfen gelagert werden; dazu gehören außer den Hülsenfrüchten auch Speisen auf der Basis von Panir und ein seltsames Gericht namens Pakhora Curry, das aus Pakhora (in Kichererbsenteig getauchtes und frittiertes Gemüse) in einer cremigen, mit Mehl gebundenen  Currysauce besteht. Die Hülsenfrüchte liegen in einer mild gewürzten Version vor und werden auf Wunsch portionsweise mit Gewürzen frisch angebraten.

Kichererbsen

Meist bekommt man auch automatisch einen Salat als Vorspeise serviert, der aus roher Rettichwurzel mit einem pikanten Chutney besteht; das ist scharf und sehr erfrischend, da das Chutney aus geriebenem Rettich und entweder rotem getrocknetem Chili  oder grünem Chili plus frischer Pfefferminze einen erfreulichen Kontrastpunkt zu dem doch etwas erdig schmeckenden Dal bietet.

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