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Etappe 8 – Kochi

On-demand-Imbissbuden, Pfeffersäcke, schwimmende Bastkörbe und Kokoscurry in intimen Etablissements

ich bin nun in Kochi, das früher Cochin hieß und im Zentrum der indischen Pfefferindustrie steht. Kochi ist eigentlich nur ein Stadtteil der Millionenstadt Ernakulam (oder war es umgekehrt? Das konnte ich nie ganz durchschauen), aber es versprüht die reinste Kurhaus-Atmosphäre, weil es auf einer vorgelagerten Insel liegt und damit von all dem Verkehrslärm Ernakulams verschont bleibt; selbst die Brücke zum Festland ist erst ein paar Jahre alt, vorher wurde aller Verkehr mit Fähren abgewickelt. Die Passagierboote fahren aber auch heute noch im Halbstundentakt und sind schneller als die Busse, die sich über die weit im Süden gelegene Brücke quälen müssen.

Die Bezeichnug „Fort Kochi“ hat als Bezeichnung für einen Stadtteil an der Nordküste der Insel überlebt, aber ein historisches Fort sucht man vergebens. Stattdessen gibt es einige Kirchen zu bestaunen, darunter die Franziskanerkirche, in der Vasco da Gama ein paar Jahre begraben lag, ehe seine Gebeine nach Lisboa rücküberführt wurden. Angeblich ist die Franziskanerkirche die älteste europäische Kirche Indiens, und auf das Wort „europäisch“ kommt es dabei an: Denn gerade in der Umgebung von Kochi leben auch heute noch viele „syrische Christen“, die ihre Religion auf den Ungläubigen Thomas zurückführen und schon lange vor den Europäern nach Indien kamen. Auch wenn es heute nur ein paar tausend Familien in Kochi sind, so stellen sie doch einen guten Teil des Geld-, äh, Pfefferadels.

Die Mannschaft zieht das Netz hoch…

Sonst besteht Kochi aus oft mediterran angehauchten oder, als Kontrastprogramm, echt holländisch gebauten Kolonialgebäuden, zwischen denen sich das üppige tropische Grün tummelt. Jedes Haus hat einen Garten, in dem man Mango- oder Currybäume findet. Natürlich ist die Gegend die reinste Touristenfalle, aber da der Monsun hier bereits voll eingesetzt hat, wirkt es trotzdem recht ruhig, und die zahlreichen Schilder „Zimmer frei“ oder „Echte Hausmannskost“ machen einen verlorenen Eindruck. Diese Beschaulichkeit und die niedrigen Preise bezahlt man sich eben mit zweimaligem täglichen Naßwerden.

… und die Vögel warten auf ihren Anteil

Das Wahrzeichen der Stadt sind die „china vala“ oder chinesischen Fischernetze, deren Ursprung wohl nicht mehr klar eruierbar ist; manchmal werden sie auf Kublai Khan und manchmal auf Zèng Hé zurückgeführt, wohl, weil sich eine bedeutende geschichtliche Persönlichkeit in jeder Legende gut macht. Die Netze stehen in einer langen Reihe am Ufer; sie sind quadratisch, etwa 10m² groß und horizontal gespannt. Mit einer ausgeklügelten Apparatur aus Holzbalken und steinernen Gegengewichten lassen sie sich bis auf den Meeresgrund absenken und ein paar Minuten später wieder rasch hochheben, wobei gründelnde Fische im Netz bleiben, die augenblicklich verkauft werden.

Die Franziskanerkirche von Kochi

Bereits wenige Minuten später kann man sie essen, denn an die Straße der Fischernetze schließt direkt der Fischmarkt mit seinen „on-demand“-Imbißbuden an. Der Kunde kauft bei ersterem den Fisch ein und übergibt ihn dann sofort an zweitere, die ihn schnell in Gewürze wickeln und dann in die Pfanne werfen. Das ganze ist erschreckend teuer, aber schlägt jede professionelle Kühlkette um Längen.

Chili-Lagerhalle in Mattancheri

In Mattancheri, auf der gleichen Insel wie Fort Kochi gelegen, findet man ein altes jüdisches Viertel samt Synagoge. Auch die Juden waren eine bedeutende Größe im Pfefferhandel gewesen, und es ist ziemlich vielsagend, daß die Inder ihre Synagoge aufbauen ließen, nachdem die Portugiesen sie niedergebrannt hatten. Heute ist die jüdische Gemeinschaft zwar nicht mehr allzu groß, aber eine der lebendigsten Indiens. Ein Spaziergang durch das Marktviertel mach wirklich Spaß: Wo sonst kann man schon eine ganze Lagerhalle voller getrockneter Chilies besuchen und beriechen?

In der Judenstadt

Alle Touristen schwärmen hier von den sogenannten „backwater tours“, und nachdem ich eine gemacht habe, weiß ich auch, warum. Die „Backwaters“ sind ein halb amphibischer Lebensraum im unmittelbaren Hinterland der Küste, das von ein paar Flüssen und vielen brackwasserhaltigen Kanälen durchzogen ist. Darin liegen wunderbar idyllischer Dörfer, die ihre Produkte auf dem Wasserweg transportieren, und vor allem viel wucherndes Grün. Hektik scheint ein Fremdwort zu sein, wenn meine dreißigsitzige Touristenbarke (beladen mit mir und einer argentinischen Touristin, es ist ja auch Nebensaison) gaanz langsam von den beiden Ruderern durch die engen Kanäle getrieben wird, von denen aus man Kühe im Sumpf oder pfefferbewachsene Bäume sehen kann. Wir machten einige Male Station, um uns eine Muschelkalkfabrik oder traditionelle Behausungen anzusehen, bevor es ein simples Kerala-Mahl gab und wir durch Sturmböen und Regen wieder zurückruderten.

Schwimmende Bastkörbe in den Backwaters

In den „Backwaters“ werden übrigens auch Gewürze angebaut, jedenfalls bekamen wir Zimt, Muskat und Pfeffer zu sehen, ganz zu schweigen von den allgegenwärtigen Unkräutern wie Currybäumen, Ingwer und Curcuma. Pfeffer ist immer noch „big business“ hier, obwohl sich jetzt ja Krethi und Plethi am Pfefferanbau versuchen und folglich die Preise eher im Keller liegen.

Bootsverkehr in den Backwaters

Kochi ist sehr gut eßbar. Die Südwestküste (oder Malabarküste) ist für ihre unzähligen Kokospalmen berühmt, und folglich bekommt man viele Curries auf Kokosnußbasis, fast so wie in Sri Lanka, an das mich das ganze Land lebhaft erinnert. Ganz besonders häufig ist der milde Curry avial aus verschiedenen Gemüsesorten, und auch der „beef curry“ hat oft Kokosnußbasis – denn, man staune, das friedlich wiederkäuende Abbild der Gottheit wird auch hier erstaunlich gerne verzehrt und ist eigentlich nach Hühnern das häufigste Fleisch auf der Speisekarte.

Okracurry in Kokosmilch

In Kochi kann man auch in „extrem“ intimen Restaurant dinieren, die nur aus einem Familienhaus mit einem einzigen Tisch auf einem Balkon bestehen, und da glaube ich dann die Bezeichnung “homely food”, auch wenn die Preise eher unheimlich sind. Aber der Okra-Curry in Kokosmilchsauce (vendakka kari) war auch wirklich göttlich!

Toran – trockener Curry mit Kokosraspeln


Jedenfalls habe ich mir hier sogar ein Kochbuch über die Küche der syrischen Christen in Kerala gekauft, das ist mir die paar hundert Gramm mehr im Rucksack wert.

Morgen mache ich mich dann endlich wirklich dorthin auf, wo der Pfeffer wächst.

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