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Etappe 6 – Hyderabad

Ein fast weltentrücktes Freilichtmuseum,  flanierende Frauen und die Tore zum kulinarischen Paradies

nun bin ich also in Hyderabad, der Hauptstadt von Andhra Pradesh. Leider lag ich wieder einmal ein paar Tage flach. Diesmal Blase, die ich mir auf Fuß eingefangen habe und die meine Bewegungsfähigkeit unangenehm eingeschränkt hat.

Hyderabad ist schon ganz sehenswert: Die mehr als fünfzig Lakh (ein Lakh zählt 100.000 Einwohner) große Stadt hat, ziemlich einzigartig für Südindien, eine großartige islamische Vergangenheit, da sie kurz von den Mogulen und danach von einem lokalen muslimischen Fürstengeschlecht regiert wurde. Die Nizams von Hyderabad überlebten als Herrscher über einen formal unabhängigen Fürstenstaat bis 1948, als sie mit mehr als nur sanfter Gewalt von der indischen Armee abgesetzt und enteignet wurden. Viele Bürger sprechen heute noch Urdu als Muttersprache und verstehen kaum Telugu; daher sind überall mehrsprachige Schilder (Telugu, Urdu und Englisch, manchmal auch noch Hindi dazu) anzutreffen, und die Küche – aber dazu später.

Der Charminar

Auch im Stadtbild haben die Moslems deutliche Spuren hinterlassen: Das Wahrzeichen der Stadt ist der Charminar, eine erstaunlich elegante Konstruktion aus vier Minaretten auf einer verkehrsumtosten Insel in der Altstadt. Die Fürsten residierten in einem nordindisch inspirierten Palast namens Chowmahalla, der heute natürlich als Museum dient, und Moscheen findet man sowieso an jeder Straßenecke.

An die buddhistische Epoche im Mittelalter, lang vor der Gründung Hyderabads, erinnert eine moderne monumentale Buddha-Statue, die auf einer Insel im riesigen Hussein Sagar steht. Selbst koloniale Architektur kann man sich ansehen, denn nur 6 km entfernt vom Zentrum Hyderabads gründeten die Briten eine Garnisonstadt namens Secundarabad, die heute natürlich mit Hyderabad verschmolzen ist.

Muslimische Frauen

In der Altstadt trifft man gleichermaßen auf Frauen im bunten Sari wie auf solche im schwarzen Niqab, und zu meiner positiven Überraschung habe sich gar nicht so selten gemischte Gruppen gesehen – nein, natürlich nicht Männer und Frauen, sondern muslimische und hinduistische Frauen, die händchenhaltend gemeinsam durch die Stadt mit ihren bunten Märkten flanieren. Offenbar leben diese hier nicht unbedingt in parallelen Welten, und sie kaufen zumindest gerne gemeinsam im Schmuck- und Goldmarkt lad bazar ein, der gleich westlich vom Charminar beginnt; selbst wer weder Perlen, noch Juwelen noch Plastik-Modeschmuck kaufen will, der findet dort genug Photomotive für einen Tag, wenn er sich nur die lästigen Verkäufer vom Hals halten kann.

Shopping Mall im Bezirk Abids

In der Peripherie von Hyderabad liegt die alte Stadt Golkonda mit ihrer beeindrucknden Festungsanlage (16. Jahrhundert), die die Moguln erst nach achtmonatiger Belagerung einnehmen konnte. Die Gebäude sind zum Teil recht gut erhalten bzw. rekonstruiert, inklusive der drei konzentrischen Festungsmauern mit ihren massiven Holztüren, deren Eisenstacheln zur Abwehr von Kriegselefanten dienten. Daß Golkonda zugunsten der neu gegründeten Stadt Hyderabad aufgegeben wurde, lag übrigens nur am Wassermangel, an dem der steile Burgfelsen trotz seiner Wasserleitungsrohre immer wieder litt.

Teil der Festungsanlage Golkonda

Hyderabad ist aber kein weltentrücktes Freilichtmuseum, sondern eine sehr moderne und lebendige Stadt, die insbesondere durch die boomende Softwareindustrie gut lebt; amüsant finde ich, daß man auf allen Hauswänden Kurse für C# angeboten bekommt, oder eine Ausbildung zur professionellen Nervensäge, ähh, Verzeihung, zum call-center-agent machen kann. Das moderne Stadtviertel im Nordwesten hört auf den Spitznamen „Cyberabad“, aber dort war ich trotz des gut funktionierenden Stadtbussystems nicht, stattdessen besuchte ich lieber die Restaurants der Altstadt.

Hyderabadi Biryani

Denn die Altstadt ist natürlich auch ein kulinarisches Paradies. Die Fusion der duftig-aromatischen Mogulenküche mit den scharfen Andhra-Spezialitäten hat einzigartige Speisen hervorgebracht, von denen der Hyderabadi Biryani gleich nach dem „Charminar“ als ikonisch für die Stadt angesehen wird. Dieses Reisgericht wird ganz entsprechend dem nordindischen Vorbild hergestellt, indem man ein aromatisches korma, also mit aromatischen Gewürzen in Joghurt geschmortes Fleisch, mit aufwendig gekochtem und gewürztem Basmati-Reis überschichtet und in einem versiegelten Topf gemeinsam sanft erhitzt, um die Aromen zu vermengen (letzterer Schritt wird in den auf schnelle Küche getrimmten Restaurants oft weggelassen). Anders als im Norden ist das ganze aber richtig scharf, und zu meiner Überraschung stört die Schärfe das komplexe Aroma nicht im mindesten. Der sehr trockene biryani wird mit frischem Joghurt und oft auch ein paar Löffeln der Joghurt-Schmorflüssigkeit für das Fleisch serviert. Lamm und Huhn sind am verbreitetsten, aber unglaublicherweise bekommt man auch beef biryani allen Hindu-Tabus zum Trotz.

Überhaupt: Nach der langen Zeit in fast ausschließlich hinduistisch besiedeltem Gebiet treffen mich die Fleischorgien hier fast wie ein Schlag. In der Altstadt bekommt man kebab aus gehacktem (und durch Chilipulver rot gefärbtem) Lamm, und besonders beeindruckt hat mich ein in der Art Wok zubereitetes mutton fry, aus marinierten Fleischwürfeln, unter die spitze kleine grüne Chilies gemischt waren. Zusammen mit einem eher mittel-östlich wirkenden Fladenbrot ergab das eine ebenso überraschende wie befriedigende Mahlzeit.

Eigentlich ist Hyderabad auch für seine Süßigkeiten bekannt, aber hier kann ich Dir leider nicht so viel berichten. Das einzige, was man zur Zeit überall bekommen kann, ist ein Fruchtsalat aus frischen Früchten (Ananas, Granatapfelm, Mango) und verschiedenen Nüssen, die mit einer dicken Mandelmilch (angeblich, ich hätte es nicht erkannt) überschüttet werden. Ehrlich gesagt, fand ich das ganze gar nicht so prickelnd, im interessantesten daran war der Name: Auf meine zigmaligen Anfragen, wie den dieser fruit salad auf Urdu heiße, erhielt ich irgendwie nie eine brauchbare Antwort. Schließlich ließ ich es mir von jemandem aufschreiben und war verblüfft, auf dem Zettel in arabischer Schrift tatsächlich so etwas wie frut slad zu lesen.

Heute nacht führt mich der Weg weiter nach Tirupati, einen der größten Wallfahrtsorte Indiens (und der Welt). Von dort gibt es höchstens einen kurzen Brief, denn ich werde wohl nur einen Tag bleiben und dann nach Madras weiterziehen, das ja bekanntlich mittlerweile Chennai heißt.

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