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Etappe 9 -Pashupatinath

von
Tempelinnen

Pashupatinath – Eine Stadt, die sich rausputzt, ein Gott, der  Wein spuckt und eine Newari-Salat-Kur

natürlich bin ich immer noch im Kathmandu-Tal. Wenn es darum geht, Ausreden zu ersinnen, warum ich mich von hier nicht fortbewegen will, dann bin ich recht kreativ geworden. Aber einerseits gibt es noch viel in der Umgebung zu sehen, und andererseits wollte ich die Gelegenheit nicht verpassen, das größte Fest des Kathmandu-Tales mitzuerleben.

In der näheren Umgebung von Kathmandu finden sich einige interessante Tempel, darunter auch der bedeutendste Shiva-Tempel Nepals: Pashupati-Nath. Pashupati heißt eigentlich „der Herr der Tiere“ und ist ein allgemein übliches Epithet für Shiva. Der Tempel liegt am Ufer des Bagmati-Flusses, des heiligsten Flusses in Nepal, und läßt sich per Bus von Kathmandu bequem in einer halben Stunde erreichen. Eine Beschreibung des eigentlichen Tempels kann ich Dir leider nicht geben: Obwohl man für den Komplex Eintritt bezahlen muß, ist nämlich am Tempeltor Schluß mit der Besichtigung, da nur Hindus als Besucher zugelassen sind. Mit seinem zweistufigen goldenen Dach ist er aber auch von außen recht sehenswert.

Der Tempel von Pahsupati Nath

Einen bleibenderen Eindruck hinterläßt aber der Weg zum Tempel entlang der Ghats. Unter einem Ghat versteht man grundsätzlich Stufen, die zum Wasser führen. In diesem Fall sind es Verbrennungs-Ghats, wo Hindus die Leichen ihrer Angehörigen in aller Öffentlichkeit  verbrennen und danach die Asche in die Bagmati streuen. Der süßliche Geruch verbrennenden Fleisches und der dicke Qualm der Scheiterhäufen erzeugt zunächst einmal Übelkeit; aber es ist einfach nur erstaunlich, in welcher friedlichen und fast gelassenen Atmosphäre diese finale Zeremonie im Leben eines Menschen abläuft. Noch mehr als die berühmteren und viel prächtigeren Ghats von Varanasi in Indien beeindruckt dieser Ort wegen seiner unaufdringlichen Selbstverständlichkeit. Klar, daß die Kamera hier nur mit größter Zurückhaltung clickt.

Die Ghats von Pashupathinath

Am gegenüberliegenden Ufer der Bagmati ergebt sich ein Hügel, vom dem aus man einen schönen Blick auf den Tempel und Ghats hat; wandert man weiter hinauf, so kommt man zu einer dichten Ansammlung kleiner Shiva-Tempelchen, jeder mit einem kleinen Nandi vor dem Eingang. Der Bulle Nandi ist ja das Reittier Shivas und zusammen mit dem Dreizack ein sicheres Zeichen für den hier verehrten Gott, während das überall in kleinen Töpfen gezogene Basilikum auch in einem Vishnu-Tempel stehen könnte. In Nepal folgt aber die Mehrheit der Gläubigen der Shaiva-Tradition, die Shiva als den höchsten Gott sieht, und die Vaishnaviten sind eine Minderheit.

Eine einzelne Verbrennungsstelle

Auf der Spitze des Hügels steht der Gorakhnath-Tempel, der den Lehren des Guru Gorakhnath gewidmet ist. Dieser südindische Shaivait ist in Nepal sehr populär, und angeblich leitet sich sogar das Ethnonym „Gurkha“ von seinem Namen her. Wenn ich in den nächsten Wochen nach Gorkha komme, werde ich darüber noch mehr schreiben.

Zurück in Kathmandu: Seit Tagen ist es unübersehbar, daß etwas Großes kommt. An allen möglichen Plätzen wird geputzt und dekoriert, und vor dem großen Akash-Bhairabnath-Tempel am Indra Chowk wird ein riesiges Standbild des Gottes Bhairab (einer Form Shivas) aus bunten Blumen gebastelt. Heute Abend war es endlich soweit, daß das größte Fest im Newari-Jahrescyclus begann: Indra Jatra. Eigentlich geht es darum, am Ende der Regenzeit dem Donnergott Indra für den flüssigen Segen zu danken; angesichts des reichlich chaotischen Wetters, das sich nicht mehr an die überkommene Tradition halten will, will der Sinn allerdings nicht ganz einleuchten. Immerhin hatte ich mitten in der nominalen Monsunzeit in Janakpur eine heiße und trockene Witterung zu erdulden, und jetzt gibt es dafür täglichen Regenfall außerhalb der Zeit. Aber davon lassen sich die Nepalesen die Festtagslaune definitv nicht verderben.

Om nanah Shivaya!

Gegen Abend sammeln sich die Massen auf den Straßen, und die Tore vieler sonst verschlossener Tempel öffnen sich und erlauben einen Blick auf das liebevoll geschmückte und effektiv beleuchtete Götterbild im Inneren. Viele Passanten holen sich beim Brahmanen ihren Segen, ehe sie weiter zum Zentrum der Festivität eilen: Dem Darbar Square. Dort sind alle Tempel festlich beleuchtet, und die Kumari Devi verläßt ihren Palast, um sich auf einer Sänfte durch die Stadt tragen zu lassen – Du erinnerst Dich, die Berührung des Bodens ist ihr ja bei Strafe des Verlusts ihrer Göttlichkeit verboten. Leider hatte ich nicht die notwendige Geduld, mich stundenlang wartend an den Straßenrand zu stellen, um einen Blick auf die Lebende Göttin zu erhaschen, und so habe ich sie verpaßt. Egal, die Musik und die Tänze vor dem Palasteingang können durchaus entschädigen.

Seto Bhairab

An einer Front des Palastes befindet sich ein eng vergittertes Fenster, hinter dem ich bei meinem letzten Besuch nur mühsam das große Gesicht des Seto Bhairab ausmachen konnte. Heute, und nur heute, und alles, was in Kathmandu eine Kamera hat, steht davor und schießt Erinnerungsbilder. Natürlich reihe ich mich in die Massen ein und versuche auch mein Glück, während zahlreiche Nevari-Männer vor dem Gesicht stehen und versuchen, den Wein, der in unregelmäßigen Abständen aus einem Rohr im Mund des Gottes sprudelt, aufzufangen und zu trinken.

Feiernde sitzen um den Kakeshvar-Tempel

Zuletzt setze ich mich auf die Stufen zum Jagannath-Tempel und lasse den Abend stimmungsvoll ausklingen, während sich eine junge Newari-Frau mit mir unterhält und einige torkelnde Betrunkene von ihren Angehörigen dezent fortgeführt werden. Angesichts von soviel blühender Nevari-Kultur will ich die Gelegenheit nutzen, Dir die Newari-Kneipen Kathmandus weiter zu beschreiben, denen ich bereits die letzten beiden Briefe gewidmet habe.  Nach wie vor bade ich fast täglich in den bereits beschriebenen Spezialitäten wie choilachatamari und kochila. Ich glaube, bevor ich nach Kathmandu kam, hatte ich noch nie Wasserbüffel gegessen, aber hier ist er wirklich ein billiges und allgemein verfügbares Grundnahrungsmittel.`

Wer von all diesen Fleischorgien (naja, zumindest nach südasiatischen Maßstäben) genug hat, dem bleiben auch diverse pikante Gemüse-Salate. Diese enthalten oft frischen Chili in Form kleiner Ringe und gemahlene Gewürze (Curcuma, Kreuzkümmel, Koriander). Sehr häufig bekommt man gekochte und in einer Gewürzpaste gewälzte Kichererbsen oder andere Hülsenfrüchte, die geschmacklich an ähnlich indische Snacks anschließen. Auch die gekochten Kartoffeln wirken wie kalter trockener Kartoffelcurry, erhalten aber durch dunkelbraun geröstete Bockshornkleesamen und frischen Chili ein eindeutiges Newari-Gepräge.

Achar

Während der Name achar in Indien für Pickles, also stark gewürzte, haltbare, ölige Würzzubereitungen steht, so bedeutet er in Kathmandu so etwas wie einen Gemüsesalat aus gestiftelten Karotten, Gurken und grünen Bohnen, der mit Curcuma, viel Chili und wie immer extrem dunkel geröstetem Bockshornklee gewürzt wird. Mit „grüne Bohnen“ meine ich hier übrigens nicht Bohnschoten, sondern unreif geerntete Samen, die für Südasien eher untypisch, nicht getrocknet sondern frisch verwendet werden.

Grüne Bohnen tauchen auch noch in einem weiteren Newari-Snack auf, der recht unindisch, ja fast chinesisch schmeckt: Musya palu sind Bohnen, die nach dem Kochen in einer Paste aus Koriander- und Chilipulver und dunklem chinesischen Sesamöl gewälzt werden. Man serviert sie mit gestifteltem rohem Ingwer und Knoblauch. Sesamöl als Würzmittel ist ja sonst in Indien nicht gebräuchlich, aber in der Kathmandu-Küche habe ich es oft geschmeckt (manchmal wird aber auch Senföl genommen).

Da ich Kathmandu jetzt wirklich bald verlassen werde, macht sich langsam Wehmut über die Newari-Küche breit. So etwas Spannendes hatte ich bisher auf meiner ganzen Reise nicht gefunden, und ich hoffe, daß ich auch an den nächsten Stationen noch Kostproben dieser einzigartigen Kochtradition bekommen kann – das Newari-Siedlungsgebiet zieht sich ja noch ein schönes Stück nach Westen, auch wenn das Kathmandu-Tal als das Herzland der Newari-Kultur gilt. Nächstes Mal erzähle ich Dir noch von ein paar buddhistischen Kultstätten der Gegend, und dann heißt es weiterziehen.

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