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Etappe 9 – Kathmandu II

von
darbarsquarepatan

Reich verzierte Tempel im Darbar Square, ein Gott als Polizeiermittler und 1001 Büffelei

ich bin natürlich immer noch in Kathmandu, und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Die Stadt macht einfach immer mehr Spaß.

Wenn man vom Touristenbezirk Thamel ca. 20 Minuten quer durch die malerische Altstadt nach Süden geht, dann kommt man zum Königspalast („Darbar“), der auf drei Seiten von dicht mit Tempeln bepflanzten Plätzen umgeben ist. Dieser ganze Komplex aus weltlichen und sakralen Bautten wird allgemein „Darbar Square“ genannt (meist englisch beeinflußt „Durbar“ geschrieben), interessanterweise auch auf Nepali.

Holzbalkone am Darbarsquare

Trotz seiner geringen Größe – das ganze Areal läßt sich in fünf Minuten durchqueren – ist man mit einer Besichtigung stundenlang beschäftigt. Man kann so ca. 20 bis 25 verschiedene Bauwerke oder Statuen betrachten, sich in den anschließenden Marktgassen verlieren oder einfach die Atmosphäre einsaugen: Der „Darbar Square“ ist das Zentrum Kathmandus, hier treffen einander auch die Nepali, um im Schatten der Tempel miteinander zu plaudern, ein Räucherstäbchen anzuzünden oder einfach nur zu ruhen und andere zu beobachten.

Die Tempel sehen mit ihren mehrfachen Dächern genauso aus wie auch sonst überall in der Stadt, aber manche stehen auf einer mehrstufigen steinernen Plattform und wirken daher besonders erhaben. Sie sind aber nur von außen zugänglich, der die reichverzierten Türen zum Innenraum sind bis auf ganz wenige Tage im Jahr immer verschlossen.

Darbar-Square bei Nacht

Im Kathmandu-Tal gibt es einige „lebende Göttinnen“, das sind ganz junge Mädchen, die als Inkarnation von Durga gelten und die (abgesehen von ganz wenigen öffentlichen Auftritten im Jahr) streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit heranwachsen. Die bekannteste dieser Göttinnen ist die Kumari Devi in Kathmandu. Ihre Göttlichkeit endet, wenn sie schwer erkrankt, mit ihren Füßen den Boden berührt oder größere Mengen Blut verliert – letztere Regel beschränkt die Zeit einer Kumari Devi auf maximal etwa zehn Jahre, und danach wird wieder ein ein- bis zweijähriges Kind ausgewählt. Die alte wird zu ihrer Familie zurückgeschickt und erhält eine Pension von immerhin 60€ pro Monat, aber ich habe mir sagen lassen, daß niemand eine Ex-Kumari heiraten will, weil das angeblich Unglück bringt (oder die Dame hat sich einfach gewisse Ansprüche angewöhnt).

Die Kumari Devi residiert im ersten Stock eines riesigen traditionellen Hauses mit quadratischem Innenhof, das am Rand des Darbar Square steht. Im schattigen Hof stehen immer Leute, hauptsächlich Touristen, die darauf warten, daß die Göttin einmal kurz hinter den wunderschön geschnitzten Holzfenstern sichtbar wird. Auch ich habe sie kurz dort gesehen – ein dreijähriges Kind mit intensiv geschminktem Gesicht und starrem Blick an der Hand ihres brahmanischen Betreuers. Ich muß sagen, daß mir eine Gänsehaut über den Rücken kroch.

Ganesha-Schrein am Darbar Square

Ethisch eindeutig unbedenklicher sind die Tempel und der Königspalast, der auch in diesen republikanischen Zeiten noch so genannt wird und der für Ausländer größtenteils gesperrt ist. Die Tempel sind außen reich verziert, und lohnen einen genauen Blick: Steinreliefs den Wänden, erotische Holzschnitzereien unter dem Dach und kleine Statuen rundherum fesseln die Aufmerksamkeit, und den ganzen Darbar Square in einem Stück ausführlich zu besichtigen, braucht ein schönes Stück Selbstdisziplin.

Das Bild von Kal Bhairab

Ein Detail muß ich aber auf jeden Fall erwähnen, und das ist das große Relief von Kal Bhairab, einer nur in Nepal bekannten Erscheiningsform Shivas. Das schreckenerregende Bild steht offen auf dem Platz, und es heißt, daß jeder sofort stirbt, der vor dem Gott eine Unwahrheit sagt. Angeblich werden auch heute noch einer Straftat Verdächtige vor dieses Bild gezerrt, um dort ihre Unschuld zu beschwören. Die nächste Polizeistation ist ja gleich ums Eck.

Newari-Kneipe

Wenn die Newari-Architektur schon großartig ist, was soll ich dann erst zur Newari-Küche sagen? Es gibt hier eine ganz interessante Kneipenkultur, ganz anders als in Indien, wo man die Lokale nur zum Essen aufsucht und danach sofort verschwindet. Überall in der Altstadt findet man (wenn man sie denn findet) kleine Etablissements, in denen teils vorbereitete und teils frischzubereitete kleine Speisen angeboten werden, immer mit hochprozentiger flüssiger Begleitung, wenn das gewünscht wird. Gruppen von Männern jeden Alters sitzen dort stundenlang und delektieren sich an den verschiedenen Snacks. Das ganze hat etwas von einem chinesischen Teehaus, auch wenn meine Bitte um Tee üblicherweise mit verstörter Miene zur Kenntnis genommen wurde.

Das Fleisch für Choila wird kleingeschnitten

Was kriegt man nun in einem solchen Restaurant zu essen? Momos natürlich, die hier aus Büffelfleisch hergestellt werden, aber sonst gleich schmecken wie überall sonst, und chow mien, also gebratene Nudeln, die vielleicht eine Spur pikanter als an meinen bisherigen Stationen zubereitet werden. Die richtig spannenden Sachen sind aber die autochthonen Zubereitungen, von denen ich Choyela (oder Choila) als die herausragendste Speise empfunden habe, das ist ein bei Raumtemperatur servierter „Salat“ aus gegrilltem oder frittiertem Büffelfleisch, das in kleine Würfel geschnitten und mit einer unsagbar pikanten Paste vermengt wird, die aus getrockneten und frittierten Chilis (in Mengen!), rohem oder kurz angebratenen Knoblauch und Ingwer, viel Salz, etwas Curcumapulver und einigen in wenig Öl ganz dunkelbraun gerösteten Bockshornkleesamen besteht; darüber träufelt man noch Senf- oder Sesamöl. Das ist die reinste Geschmacksbombe!

Choila – Büffelfleischsalat

Ebenfalls aus Büffelfleisch besteht sekuva: Kleine Würfel von rohem Rindfleisch, die mit einer vornehmlich aus Chili und Kreuzkümmel bestehenden Paste mariniert sind und die fast an ein mittelöstliches Kebab erinnern; aber sie werden frittiert, nicht gegrillt, und heiß serviert. Recht interessant schmeckt auch der allgegenwärtie buff chili, kleine flache Stückchen Büffelfleisch, die mit Gemüse und einer typische nordindischen Würzmischung (Chili, Kreuzkümmel, Koriander, Curcuma) angebraten und danach mit Sojasauce und Tomatenketchup abgelöscht werden. Das hat etwas dekadent Fusion-artiges an sich, aber es schmeckt trotzdem angenehm.

Sekuva

Ziemlich typisch ist auch kochila, ganz feines mageres Büffelhackfleisch, das entweder roh mit ganzen Knoblauchzehen oder kurz in einer trockenen Pfanne angebraten serviert wird. Im letzteren Fall kommen auch Gewürze dazu, aber ausnahmsweise kein Chili, sondern eher Kreuzkümmel und Bockshornkleesamen, die zu einer anthrazitfarbenen Schwärze frittiert werden. Ich glaube, die Newari sind die einzigen Hindus, die außerhalb des Kults rohes Fleisch verzehren.

Frittierte Chili auf dem Steinmörser

Eine weitere eigenwillige Speise mit Büffelfleisch ist sukuti. Dazu werden winzige Fetzen von mit Gewürzen mariniertem und getrocknetem Büffelfleisch ähnlich wie pakora in einen Kichererbsen-Teig getaucht und frittiert; diese knusprigen und pikanen Stücke mischt man dann mit Tomaten, Zwiebelringen und grünem Chili zu einem appetitlichen Salat.

Diese Restaurants sind erstaunlich billig und deshalb auch immer voll. Büffelfleisch ist im Kathmandu-Tal offenbar keine Mangelware, aber von den anderen büffelbasierten Speisen schreibe ich lieber das nächste Mal.  Meine Begeisterung für Kathmandu hat diesen Brief ohnehin schon zu übertriebener Länge genährt.

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