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Etappe 7 – Mamallapuram

von
findling

Ein hochgehobener Berg, emsige Steinmetze und Currys in ihrer ganzen Vielfalt

nun bin ich also in Tamil Nadu, dem (nach Meinung der Tamilen) kulturellen Kernland Südindiens. Diese selbstbewußte Aussage stützt sich unter anderem damit, daß sowohl Baukunst als auch Literatur im Tamilenland weiter zurückreichen als in den Nachbarstaaten, und daß die lokale Kultur in hohem Maß selbständig sei, mit wenig Einfluß von außen. Hier in Mamallapuram (das früher Mahabalipuram hieß) ist man sogar geneigt, das zu glauben.

Das Städchen mit seinen gut 10000 Einwohner liegt direkt am Golf von Bengalen, ungefähr 60 km südlich der Hauptstadt Chennai (dem früheren Madras). Heute hat es keine über den Tourismus hinausgehende Bedeutung, aber das muß wohl einmal anders gewesen sein: Anders ist es nicht zu erklären, daß sich hier die ältesten Tempel Südindiens finden, aus der frühen Pallava-Dynastie (etwa 7. Jahrhundert), und das in einer geradezu unheimlichen Konzentration und Häufung.

Die Gruppe der Fünf Rathas

Die ganze Dekkan-Halbinsel besteht aus uraltem Granit. Verwitterungsbedingt tauchen immer wieder riesige, oft halb vergrabene Findlinge, Felsplatten oder anders geformte Bruchstücke in der Küstenebene auf. Daraus ergibt sich beträchtliches künstlerisches Potential, denn der Granit ist steinhart und durch seine glitzernden Einschlüsse auch ziemlich attraktiv.

Die einfachste Konstruktion ist ein „Höhlentempel“: Man schlägt eine fünf bis zehn Meter tiefe Höhle, also eher eine Nische, in den Fels. Dekorative Elemente wie Säulen, Kultfiguren und Reliefs sind nicht etwa nachträglich eingebaut, sondern gewachsener Fels, der beim Formen der Höhle „übriggelassen” wurde. Hier gibt es eine Anzahl solcher Höhlentempel, von denen sich die meisten in einem engen Areal drängen, das als öffentlicher Park viel besucht wird.

Der Shore-Tempel

Auch die „Felsentempel“ sind monolithisch, d. h. bestehen aus einem einzigen Stück. Daß sie trotzdem  wie freistehende Häuser wirken, liegt nur an der Kunst der Steinmetze, die die Illusion eines Gebäudes erzeugen, wo in Wahrheit nur Fels ist. Aus unerklärlichen Gründen wird dieser Tempeltyp hier „ratha“ genannt, was eigentlich ein Sanskrit-Wort ist und „Streitwagen“ bedeutet.

Besonders bemerkenswert ist die Gruppe der Fünf Rathas mit fünf stilistisch völlig unterschiedlichen Felsentempeln, die aus ein und dem demselben riesigen Monolithen herausgemeißelt wurden. Das sieht ein bißchen so aus wie ein Wettbewerb aus Eisfigurenschneiden oder Sandburgenbauen, wo Ensembles wunderbarer Einzelstücke entstehen, von denen keines zum Nachbarn paßt. Historiker haben die (zum Teil nicht ganz vollendeten) Fünf Rathas schon als Versuchslabor oder als Sammlung aller zu diesem Zeitpunkt verbreiteten Tempeltypen bezeichnet. Offenbar  war Mamallipuram bereits damals ein Zentrum der Steinmetzkunst, mit verschiedenen Schulen im Konkurrenzverhältnis – daß das heute noch so ist, sieht man an den Souvenierhändlern, die selbstgemeißtelte Granitelefanten oder tanzende Shivas aus Olivin anbieten, und deren ständiges Gehämmere eine angenehme Hintergrundakustik im Touristenviertel erzeugt.

Relief in Höhlentempel, das die kämpfende Götting Parvati zeigt

Zuletzt gibt es hier auch noch ein Beispiel eines gemauerten Tempels, der direkt am Ufer steht und allgemein als „shore temple“ bekannt ist, auf Tamilisch „katarkaraik koyil“.  Dieser möglicherweise älteste Tempel Südindiens ist aus Granitblöcken gebaut und zeigt bereits stark verwitterte Reliefs. Mit seinen spitzen Türmen bietet er einen eleganten Anblick, auch von der Seeseite. Unter europäischen Matrosen des 16. Jarhunderts war Mamallapuram als Ort der Sieben Pagoden bekannt, und niemand weiß, wo die anderen sechs stehen (oder ob es sie überhaupt jemals gegeben hat). Der Tsunami von 2004 hat jedoch einiges an Sediment vom Meeresgrund weggewaschen, und es kamen dabei Mauern zum Vorschein, die möglicherweise zu weiteren Tempeln gehören.

Krishna hebt einen Berg hoch, um Dorfbewohner vor einem Unwetter zu schützen

Mamallapuram ist ein „Travelerparadies“,  die Individualtouristen sammeln sich hier also zu Kollektiven. Der Ort hat auch zweifellos einen hohen Charmefaktor durch die Kombination aus exzellenter touristischer Infrastruktur (es gibt sogar mein deutsches Lieblings-Duschgel zu kaufen, ganz zu schweigen vom Toilettenpapier), freundlicher Atmosphäre, Strand und viel Kultur; auf der Minusseite bilanzieren dagegen die tödlichen Hitze (“Even the Bollywood stars are „not that hot”) und die Moskitos, die ab der Dämmerung in Schwärmen auftreten und die gegen „mosquito coils“ völlig immun sind, obwohl diese stinkigen Räucherspiralen neben Pflanzenextrakten auch echte Insektizide enthalten und andernorts recht zuverlässig alles Stechende fern halten.

Felsenrelief mit lebensgroßen Elefanten

Kulinarisch ist die Anwesenheit von Touristen wie immer eine zweischneidige Angelegenheit: Schicke Restaurants mit Dachterrassen und handgeflochtenen Ratan-Möbeln laden zwar zum Verweilen ein, aber das Essen! Kommt man wirklich nach Indien, um amerikanisches Thunfischsteak, britisches Roastbeef oder italienische Pizza Frutti del Mare zu essen, beziehungsweise irgendwelche Approximationen dazu?

Der Touristenbezirk ist aber nur einen Straßenzug lang, und dann ist man schon wieder in Indien. Billige Kneipen bieten „meals“, also Reis mit Curries zum Nachnehmen, an, und anderen üblichen Verdächtigen – dosa,idli,parota – sind auch zu haben. Mit mehreren Currygerichten pro Mahlzeit bekommt man dann rasch einen Eindruck, was so alles in tamilischen Mägen landet.

Auswahl tamilischer Curries 

Was ich bisher gegessen habe, hinkt ein bißchen hinter meinen Erlebnissen in Andhra hinterher. Rasam und sambar schmecken hier sehr ähnlich wie beim nördlichen Nachbarn, alles ist zwei Töne milder, aber dafür gibt es mehr Abwechslung zwischen den einzelnen Curries eines Mahles. Diese Abwechslung betrifft sowohl den Geschmack als auch die Konsistenz. So findet man neben einem scharf-säuerlichen dal auch einen süßen Curry aus in Kokosmilch geschmorten drumsticks, das ist ein bohnenartigens Gemüse, das hier auf Bäumen wächst. Oder neben vielen breiartigen Zubereitungen auch einen „trockenen Curry“ aus vorgekochten Kartoffeln, Maiskörnen oder Roten Rüben, die mit Öl und ein paar Gewürzen in der Pfanne geschwenkt werden.

Trockener Curry mit Zwiebeln und Spalterbsen

Die wichtigsten Gewürze der Region sind Senfsamen und Curryblätter, die nun wirklich in so ziemlich ihren ihren aromatischen Fingerabdruck hinterlassen – dazu kommen natürlich noch die Chilies. Gelegentlich findet man etwa kirschgroße, rundliche ganze Chilies im Sambar oder im Dal, und was auch immer das für eine Sorte ist, sie hat ein wunderbares Paprikaaroma, und natürlich eine nette Schärfe. Senfsamen werden vor Verwndung immer geröstet, wobei die kleinen braunschwarzen Kugeln eine gräuliche Farbe und einen rauchigen bis brenzigen Geschmack annehmen (wenn sie beim Rösten nicht schon aus der Pfanne gehüpft sind, das tun sie nämlich liebend gerne).

amil Tali (von oben im Uhrzeigersinn): Sambar, Dal, Rasam, Kartoffeln in Kokosmilch, trockene Rote Rüben, Joghurt

Viele Speisen werden nur mit diesen drei gewürzt, oft noch ergänzt durch Bockshornklee, Kreuzkümmel oder Asant.  Allerdings kommt noch eine Komponente dazu, die ich für typisch sürdindisch und ganz besonders tamilisch halte.  Das sind getrocknete Hülsenfrüchte, die hier trocken geröstet werden, bis sie einen nussigen Geschmack mit Röstaromen entwickeln. Besonders gern nimmt man die gelben Spalterbsen, die auf einen goldgelben Farbton geröstet und dann vermahlen oder, mit geringer Kochzeit, auch ganz gebraucht werden. Besonders die trocknen Curries enthalten gerne eine Handvoll davon.

Nächste Woche fahre ich nach Kanchipuram, das ist der Abwechslung halber wieder einmal eine Tempelstadt.

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