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Etappe 6 – Vishakhapatnam

von
dorfszene

Mango und Jackfruit im Gebirge, scharf-saure Köstlichkeiten und beinahe unvergesslicher Kaffee

Andhra!

Nein, ich zitiere hier nicht fehlerhaft den Beginn der Odyssee, sondern ich bin nach drei Monaten „endlich“ im Süden angekommen. Andhra Pradesh, der südliche Nachbar von Orissa, gehört zu den vier dravidischen Staaten, in denen völlig andere Sprachen als im Norden gesprochen werden – das merkt man dann auch an den unaussprechlichen Ortsnamen, zum Beispiel Vishakhapatnam, so heißt die zweitgrößte Stadt des Bundesstaates, in der ich gerade residiere – kein Wunder, daß der Name gerne zu Vizag [sprich: vaisag] verkürzt wird.

Tempel in Vishakhapatnam

In Vizag gibt es, halte Dich fest, keine berühmten oder sonstwie bemerkenswerten Tempel. Kleinere Exemplare stehen natürlich überall herum, und mich faszinieren sie durch ihre Farbenpracht. Die grell bemalten Götterfiguren am Eingang sind typisch für den südindischen Stil, und auch wenn ich jetzt noch regelmäßig meine Kamera zücke, sooft ich an so einem Disneyland-Ableger vorbeikomme, so werde ich sie in paar Tagen wegen ihrer Allgegenwärtigkeit wohl gar nicht mehr bemerken.

Stammeskulturen-Museum in Araku

Auch sonst hat die Stadt  touristisch so gut wie nichts zu bieten, außer einem Strand und einem Fischer­hafen, beides mit Blick auf Schiffswerften und Industriegebiete. Das beeindruckt noch weniger als die riesigen und zahlreichen Kakerlaken, mit denen ich mir mein Hotelzimmer teile. Glücklicherweise kann man hier überall Kakerlakenkreide kaufen, mit der man Striche auf den Boden malt, die dann für die Kakerlaken direkt ins Jenseits führen. Dazu steht lakonisch auf der Packung “The effect will be clearly visible within 3–4 hours”, und in der Tat muß man die Viecher dann nur noch aus dem Zimmer kehren, oder den Hotelboy dazu bringen, daß er es tut.

Bananenmarkt in Araku

Man kann allerdings mit der Eisenbahn in satten vier Stunden ins Gebirge fahren, vom palmen­bewach­senen Tiefland bis auf fast 900 m, wo die Mango- und Jackfruitbäume stehen. Die östlichen Ghats, das Randgebirge des Dekkan-Hochlandes zum Golf von Bengalen hin, sind weniger spektakulär als eher lieblich. Ziel des Tagesausfluges war Araku, ein verschlafenes Nest, das teilweise von Stammes­angehörigen bewohnt wird (dazu gibt es auch ein sehenswertes Museum), auch wenn es nach den Aufschriften auf den Häusern mindestens zu Hälfte der APTDC zu gehören scheint – das ist die „Andhra Pradesh Tourist Development Corporation“, die dort Busse, Hotels, Reisebüros und Restaurants betreibt.

Mangel an Sehenswürdigkeiten hin oder her, ich bereue die paar Tage in Vishakhapatnam nicht: Die Küche hier ist nämlich einfach unglaublich. Die Erwartungen waren hoch, da Inder aus dem Norden sich meist beklagen, Adhra-Speisen seien so scharf, daß man sie gar nicht essen könnte – eine bessere Empfehlung kann es ja gar nicht geben. Außerdem hatte ich vor Jahren einmal ein Andhra-Kochbuch im Netz gefunden, dessen Rezepte sich als ganz extrem original und hochwertig erwiesen haben. Die Küche vor Ort kann die Erwartungen spielend erfüllen.

Nichtvegetarisches Andhra-Essen

Andhra Pradesh ist in Indien der Hauptproduzent von Chili, und die einheimischen Köche lieben die kleinen roten Freunde ganz offenbar. Neben scharf ist sauer, vor allem durch Tamarinde und einen Hibiscus-Verwandten namens „gongura“, der zweite charakterische Geschmack, dazu kommen dann noch die kanonischen Zutaten wie Curryblätter, Senfsamen und Korianderfrüchte. Bei dem tropischen Klima sind säuerliche Speisen angenehm erfrischend, ganz besonders, weil verglichen mit dem Norden recht fettarm gekocht wird.

Andhra ist nicht unbedingt vegetarisches Kerngebiet, daher bekommt man eine schöne Auswahl an Fleisch, beispielsweise als „kebab“-artigen Hühnerspieß auf der Straße, und Meerestieren. Das größere Angebot gibt es aber bei Gemüse, das natürlich im tropischen Klima besonders gut verfügbar ist. Kürbisse aller Formen, Okras, „drumsticks“ (die bohnenartige Früchte des Meerrettichbaums), aber auch so bekannte Arten wie Rote Rübe und Karotten tauchen hier neben den kanonischen Hülsenfrüchten in Form sauer-scharf-fruchtiger Gemüsecurries auf dem Teller auf.

Vegetarisches Andhra-Essen

Interessant weil im Norden nicht vorhanden sind die suppigen Zubereitungen. Eine klare Gemüsebrühe namens charu(bekannter unter dem tamilischen Namen rasam) wird fast mit jedem Mahl gereicht; sie ist gut gepfeffert, und statt einer Einlage schwimmen geröstete getrocknete Chilies darin. Die anglo-indische Mulligatawny-Suppe, die man weltweit in indischen Restaurants probieren kann, ist übrigens nichts anderes als rasam mit Fleischeinlage. Sambar, die tamilische dicke Suppe mit Gemüseeinlage, ist auch überall zu haben, schmeckt hier aber recht sauer. Diese „Suppen“ werden über den Reis geschüttet und mit ihm zu einem Brei geknetet, den man sich dann in den Mund steckt, denn mit Löffel oder Gabel essen hier höchstens Touristen.

Zum Nachwürzen: Salz, Ingwer-Pickle, Mango-Pickle, Hülsenfrüchte-Gewürz-Pulver (im Uhrzeigersinn)

Am Tisch stehen meist einige „Scharfmacher“, mit denen man sein Essen noch weiter aufpeppen kann. Am besten schmeckt mir das sauer-scharfe Ingwer-Chutney allam pachadi, mit viel Tamarinde und Zucker (und manchmal auch noch Tomaten), daneben gibt es aber auch noch  trockene Pulver aus gerösteten Hülsenfrüchten und Gewürzen, die man mit etwas Öl anpastet und ebenfalls unter den Reis mengt.  Am beliebtesten ist aber ein dunkelrotes und entsprechend scharfes Mango-Pickle namens avakaya, das deutlich anders schmeckt als im Norden. Es besteht aus unreifen Mangos, die mit Chili und anderen Gewürzen (vor allem Senfsamen) eingelegt und gereift werden.

Und dann gibt es hier noch etwas, wovon ich seit der Ankunft in Indien fast vergessen habe, wie es schmeckt: Kaffee. Hier im Süden wird Kaffee angebaut und auch gerne getrunken, wobei er ähnlich wie der Tee mit einer kochenden Milch-Zucker-Wasser-Mischung übergossen und in kleinen Plastikbechern serviert wird. Gewürz-Kaffee, den es angeblich auch geben soll, habe ich jedoch noch nicht gefunden.

Nächste Woche melde ich mich aus Hyderabad…

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